Gallois, Pascal

# 3

Werke von Olga Neuwirth, Dai Fujikura und Bruno Mantovani

Verlag/Label: Stradivarius STR 33799
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2009/06 , Seite 87

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 4
Booklet: 3
Gesamtwertung: 4

 

Ein lang anhaltender, tiefer Ton, in dem sich eine ganze Klaviatur von Obertönen versteckt, scheint von keinem bekannten Instrument zu stammen. Diese interessante Hörerfahrung steigert sich bald zu einem hektischen Tremolo, um in einem wilden Lauf zu enden: ein gängiger Gestus der neuen Musik, die das Disparate sucht und dem Hörer einen Ruhepunkt nicht gönnt. Erst bei mehrfachem Anhören zeigt sich, dass Olga Neuwirth mit diesem Wechselbad eine ganz ähnliche Strategie verfolgt wie schon die Wiener Klassiker. Aus dem Kontrast erwächst die Dynamik, die das Stück vorantreibt, um in diesem Fall alle Register des Fagottklangs zu entfalten: mit einem Cello als Gegenüber und weiter aufgespalten durch einen Ringmodulator.
In der Tat bietet das Fagott mit seinem stark modulierfähigen, obertonreichen Spektrum eine selten genutzte Ressource, die Pascal Gallois auf dieser CD, der dritten in einer Reihe, in fünf Werken sukzessive erschließt. Um nicht nur einzelne Kompositionen aneinanderzureihen, konfrontiert Gallois Neuwirths Werk zunächst mit einem weiteren Stück für Fagott und Cello von Dai Fujikura. Sforzato angespielt, in hohen Lagen mit hohem Geräuschanteil, duellieren sich Gallois und Rohan de Saram, bis das Werk in Mehrklängen und furiosen, filigranen Arpeggien verklingt.
Die Klammer bilden zwei weitere Werke von Olga Neuwirth, in denen das Fagott einem großen Orchester begegnet und schließlich solistisch brilliert. zefiro aleggia … nell’infinito …, eine Live-Aufnahme mit dem exzellenten Deutschen Symphonieorchester, bettet den Fagottklang ein in dichte Cluster und Geräuschflächen, aus denen an zwei Stellen verhalten alte Klezmer-Aufnahmen aus den 1920er Jahren auftauchen. Was dieses affektgeladene Material aus der Tiefe der Historie an dieser Stelle zu bedeuten hat, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Es ist jedenfalls Teil der Selbst-Positionierung Neuwirths, die sich immer in ein Verhältnis zu Bestehendem setzt. Dies zeigt sich auf andere Weise, wenn die Komponistin das Material der beiden anderen Werke, einschließlich der Klezmer-Aufnahmen, in Torsion abschließend noch einmal neu entfaltet. Auch wenn also nichts Neues hinzutritt, zeigt sich hier wohl am deutlichsten der erstaunliche Reichtum der Klangfarben, den Komposition und Interpret aus dem Instrument hervorzaubern.
Bruno Mantovanis Un mois d’ octobre für Fagott und Klavier, auf der CD in der mittleren Position, scheint dagegen für sich zu stehen. Mantovani erreicht, was konventionelle Kompositionstechnik nicht immer vermag: Von einem getragenen Tempo ausgehend, gelingt es ihm, einen Spannungs­bogen aufzubauen, der über leise Stellen und sogar Pausen hinweg vom ersten bis zum letzten Ton trägt.

Dietrich Heißenbüttel