A Stefano Scodanibbio

Verlag/Label: Atterklang AKLANG 309
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/02 , Seite 88

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Booklet: 4

A Stefano Scodanibbio ist eine weitere Hommage an den 2012 im Alter von 55 Jahren verstorbenen italienischen Kontrabassisten und Komponisten Stefano Scodanibbio. Dieser war nicht nur ein hochvirtuoser Interpret – vor allem war er ein Klangforscher, der, geschult und inspiriert von seinem etwas älteren, ebenfalls italienischen Basskollegen Fernando Grillo, diese und andere Spieltechniken am Kontrabass vertieft und weiterentwickelt hat. Dies gilt vorrangig für das Spiel mit Obertönen, mit Flageoletts, die auch in seiner eigenen Musik einen zentralen Raum einnehmen. Als Komponist und Improvisator suchte Scodanibbio einen Weg zwischen Abstraktion oder auch reiner Klanglichkeit und traditionellem Klang, Melodie und Rhythmus. Immer aber war es ein Changieren, ein Spiel mit blitzartigen Wechseln der Farblichkeit unterschiedlich erzeugter Tonhöhe. Scodanibbios Neugierde verschiedenen Musiken der Welt wie auch dem freien Spiel gegenüber trug sicher mit dazu bei, dass er nicht nur von Interpreten Neuer Musik, sondern auch von zahlreichen improvisierenden MusikerInnen hoch geschätzt wurde.
Der norwegische Kontrabassist Håkon Thelin hat sich im Rahmen eines mehrjährigen  Forschungsprojekts mit der Klanglichkeit und den Spieltechniken in der Musik Stefano Scodanibbios auseinandergesetzt. Als Bassist hat er sich aktiv in Scodanibbios Musik vertieft und mit ihm gemeinsam gespielt. Vier der sechs Titel der vorliegenden CD sind denn auch während einer gemeinsamen Tournee der beiden Bassisten 2009 aufgenommen worden. Zwei kurze, freie Improvisationen im Duo setzen einen kontrastreichen Rahmen: zunächst rhythmische Dichte und Intensitäten, dann gestrichene Flageolettlinien. Sie bilden den Rahmen für Scodanibbios Interpretation seines Stücks & Roll aus dem Jahr 2007, für die virtuosen Variationen über Jimi Hendrix’ Foxy Lady, ernst, aber auch ein wenig schelmisch.
Beide Bassisten gemeinsam sind auch in Scodanibbios Duo Da una certa nebbia zu hören. Gestrichene Flageoletts, später auch traditionelle Töne werden kommentiert von einzelnen Pizzikati. Nebel: Ruhe, Statik, ein langsames Fortschreiten – oder doch eher ein Sich-im-Kreise-Drehen?
Den Rahmen der CD bilden zwei Solo-Interpretationen Håkon Thelins. Den Beginn macht Scodanibbios Kontrabass-Version von Luciano Berios Sequenza für Violoncello, die Scodanibbio auf Bitten des Komponisten 2005 (also erst nach Berios Tod) erarbeitet hatte. Ein Werk aus dem Jahr 1994, Geografia amorosa, beendet die CD – es ist eine Art Suite, aber auch eine Hommage Scodanibbios an seine Reisen und die Vielfalt der Klänge der Welt, die ihn zu seiner eigenen Musik inspiriert haben. Zugleich ist es eine Forschungsreise in ein perkussives, mit dem Bogen geschlagenes Klangfarbenkaleidoskop.
Håkon Thelin hat die Partituren Scodanibbios nicht nur genau studiert. Sein energetisches Spiel vereint zupackenden Biss mit zarten Klanggeweben und lässt die komponierte Musik Scodanibbios weiterleben – und seine musikalischen Ideen ganz allgemein sicher auch.
Nina Polaschegg