Wolfarth, Christian
Acoustic Solo Percussion Vol. 14 & Remixes
Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 2
Christian Wolfarth, Schüler von Pierre Favre und Billy Brooks in Luzern und Bern, verortet seine musikalische Herkunft als Schlagzeuger von Rockbands. Auf der Grundlage eines akustischen Instrumentariums, welches er frei von elektronischen Zusatzgeräten einsetzt, gelingen ihm außergewöhnlich dekonstruierte Schlagwerkfiguren. Im Abstand von drei Jahren, 2009 bis 2011, brachte Wolfarth vier 7-Vinylschallplatten heraus, die unter dem Reihennamen acoustic solo percussion die entwicklungsgeschichtliche Seite seiner perkussiven Schlagwerkkunst dokumentierten.
Nun sind erstmals alle acht Titel auf einem Tonträger versammelt: Skyscraping, Zirr, Elastic Stream, Viril Vortex, Crystal Alien, Amber, Cabin No. 9 und Well Educated Society. So weit, so dokumentarisch gut. Das Besondere und Spannende vollzieht sich allerdings auf einem zweiten Silberling, der nämlich Remixe dieser acht Titel von Günter Müller, Joke Lanz, Hans Joachim Irmler und Rashad Becker enthält. Mit allen vier Künstlern hat Christian Wolfarth bereits früher zusammengearbeitet, was auf zahlreichen Tonträgern dokumentiert ist. Im vergangenen Jahr beispielsweise erschien die Duo-Vinylplatte Illumination (2011) mit Hans Joachim Irmler, dem deutschen Elektronik-Veteran und führenden Kopf der Rockband FAUST als CD. Irmler bearbeitete damals die beiden Wolfarth-Titel Crystal Alien und Amber zu einem düsteren Szenario aus selbstreflektierenden Klangebenen, denen er für den Remix Crystal Alien einige durchaus schmerzensreiche Intermezzi besorgte.
In der nun vorliegenden konzentrierten Darstellungsform zeigen die acht Stücke einen viel größeren inneren Zusammenhang, als sich das anhand der vier einzelnen Schallplatten nachweisen ließe. Aufeinander aufbauende Momente aus spannungsreichen Perkussionsstrukturen lassen sich sogar als Summe von scheinbar einzelnen Klangkonstrukten erkennen. Wolfarths Spiel des Auslotens, Abwägens, Durchdenkens, Selektierens und Analysierens verstärken die Remixe durch eine systematische Erweiterung des Klangmaterials, das den schroffen, abweisenden Industrial Sound von Bands wie «Throbbing Gristle» oder «Psychic TV» bis hin zu mikrotonal sezierten Klangwiederholungen einschließt, die sich der minimalistischen Musik eines Steve Reich oder eines Terry Riley annähern.
Rashad Becker erweiterte für Well Educated Society das Instrumentarium um ein Baritonsaxofon, ein Violoncello, eine Violine und Rückkopplungsgeräte. Spätestens hier zeigt sich das akustische Material als kammermusiktauglich und wandlungsfähig. Ein Vergleich mit Wolfahrts Original überrascht
insofern, als die Becker-Version die Soundfarbe des Solostücks perfekt abbildet.
Die konzentrierte Zusammenballung der Wolfarth-Schlagwerke verschafft dem Hörer einen komplexen Überblick über die Ursprünge und die möglichen Interpretationen perkussiver, manchmal sperriger, manchmal luftiger Soundvariationen.
Klaus Hübner