Anthology of Dutch Electronic Music 1999-2010
CD 1: Uijlenhoet, Hirs, Tazelaar, Timmermans, Kalle, Emmer, de Man, Ciciliani, Snoei, Isadora, Waisvisz / CD 2: Parra Cancino, van Heumen, Ryan, Prins, Vega, Ankersmit, La Berge, Bollen, Houtkamp, van der Heide, Bennett, van Eck, de Graaff
Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 3
Booklet: 2
Gesamtwertung: 3
Dick Raaijmakers Opus magnum Vijf Canons (elektronische Musik 1964-1967) und Buch Cahier-M: A Brief Morphology of Electric Sound (2005) gehören zu den hervorragendsten Werken, die jemals im musikalischen Bereich in den Niederlanden geschaffen wurden. Die 1978 bzw. 1979 von Raaijmakers zusammengestellte und erläuterte Anthology of Dutch Electronic Tape Music, Volume 1: 1955-1966 und Volume 2: 1966-1977 sind von entsprechender Qualität (Empfehlung Heft 1/2009).
Das vorliegende Fortsetzungsalbum ist von MCN, dem Music Center The Netherlands, zusammengestellt worden. Es überspringt unmotiviert zwei Jahrzehnte. Hinzu kommt, dass die alten Alben «Dutch Electronic Tape Music» dokumentierten, während das vorliegende Album offiziell «Dutch Electronic Music» enthält. Diese breiter gefasste Perspektive wundert nicht, weil es zur Aufgabe von MCN gehört, den Bekanntheitsgrad der niederländischen Musik als Ganzes national wie international zu fördern. Gerade auf dem Gebiet der elektronischen Tanzmusik haben sich die Niederländer in den letzten Jahrzehnten internationalen Ruf erworben. Die Pressemitteilung betont, dass dieses Album «die Vielfalt der aktuellen niederländischen, elektronischen Musik» zeige. Tatsächlich hört man hier jedoch keine elektronische Tanzmusik, sondern Musik akademischer Künstler-(innen), 26 an der Zahl. Obwohl die meisten Werke nur auszugsweise vorgestellt werden, bedauert MCN im Vorwort, dass es nicht mehr «Kunstmusik» hören lassen könne.
Raaijmakers damaliges Auswahlkriterium für seine Anthologien waren die verschiedenen elektronischen Studios als Repräsentanten unterschiedlicher kompositorischer Verfahrensweisen. Im Booklet schließt man sich der Auffassung an, dass der Ort, an dem die Kompositionen zustande kamen, das Auswahlkriterium der damaligen Alben war. Es hat den Anschein, dass der Laptop, «der mehr oder weniger als ein mobiles Studio funktioniert», mit der Verortung als Auswahlkriterium in Einklang gebracht ist. Dass sich damit ein technisches Auswahlkriterium nur bedingt bei der Auswahl künstlerischer Werke als hilfreich erweist, wird hier manifest.
Die Frage bleibt, was die Auswahl der vorliegenden Stücke tatsächlich bestimmt hat. Dennoch sind die Herausgeber der Meinung, dass bei diesem Album das Spektrum der elektronischen Musik «farbiger und vielfältiger als vor dreißig Jahren» sei.
Das Booklet ist in englischer Sprache verfasst und impliziert damit eine internationale Relevanz. Im Gegensatz zu manchen der vorgestellten Komponisten zeigen die Herausgeber dieses Albums sich national betrachtet genauso wenig gegenwartsorientiert wie international betrachtet historisch ausreichend informiert.
Erwin Roebroeks