Conlon Nancarrow
As Fast As Possible
Suite für Orchester / Studies for Player Piano Nr. 16, 20, 26, 32 und 44 / Three Movements für Kammerorchester / Septet. Fragment Paul Usher: Nancarrow Concerto für Pianola und Kammerorchester
Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 4
Booklet: 5
Gesamtwertung: 5
Werke aus einem Zeitraum von 53 Jahren, das älteste aus dem Jahr 1940, das jüngste von 1993, umfasst die Tracklist dieser neuen Veröffentlichung, die sich mit dem 1997 verstorbenen Komponisten Conlon Nancarrow (*1912) beschäftigt. Dieser musikalische Außenseiter, der sich in seinen Werken hauptsächlich dem Player Piano, dem automatischen Klavier, in 51 Studien widmete, besaß natürlich auch eine Vergangenheit, die vor dem zentralen Thema seiner automatisierten Musik auf der Basis klassisch besetzter Instrumentalmusik (Quartette, Trio, Klavier etc.) einige Kompositionen hervorbrachte.
Doch bekannt, wenn auch recht spät, wurde der im Spanischen Bürgerkrieg gegen das Franco-Regime kämpfende, später wegen angeblicher Nähe zum Kommunismus in Mexiko Asyl erhaltende Tonsetzer mit der durch ihn perfektionierten Technik des Komponierens für automatisches Klavier. Die für die Automation von Musik wichtigen Komponenten wie Zeitdauer, Tempo, Monotonie, stereotype Wiederholungen, Polyphonie sind bei Nancarrow in bedeutender Weise ausgearbeitet, wie sich anhand der fünf hier erstmals eingespielten Studies beobachten lässt. Dabei ist die Spielanweisung «As Fast As Possible» auch immer abhängig von der Entscheidung des Komponisten, das Tempo ein für alle Mal zu wählen und damit eine präzise, stets gleiche Reproduktion des Musikstücks garantiert. «As Fast As Possible» bezeichnet den dritten Satz der Three Movements for Chamber Orchestra, das von Carlos Sandoval «nach Klavierrollen übertragen» wurde. Dieser Vermerk legt nahe, dass dieses Werk von 1993 nicht allein von Nancarrow geschrieben wurde, der gesundheitlich nicht mehr auf absoluter Höhe war.
Septet. Fragment, interpretiert vom Ensemble Modern, gehört dagegen zu den Frühwerken Nancarrows. Der Komponist hat hier mit zitternder Hand geschrieben: Hektische rhythmische Ausbrüche werden von entspannten Passagen unterbrochen, melodische Konzepte von neutönenden Eruptionen durchsägt. Die auf der CD ausgewiesenen fünf Studies for player piano mit den Nummern 16, 20, 26, 32 und 44 wurden alle für Klavier arrangiert, von Nancarrow selbst sowie von Erik Oña und Helena Bugallo. Zwei bis acht Hände, zwei bis vier Klaviere die Tonerzeugung gelingt nur im Zusammenspiel der Kräfte. Ob Toncluster oder signifikante Einzeltöne: die Konzentration auf den statisch zu wiederholenden Klang, den Nancarrow mithilfe der Papierrollen mühelos erzeugen konnte, verlangt von den Pianisten absolutes Tempogefühl und gleichbleibend rhythmische Kontinuität.
Das Concerto for pianola and chamber orchestra, das nur als sparsam skizziertes Projekt vorhanden war, bearbeitete der 1970 geborene englische Komponist Paul Usher auf der Grundlage der Study No. 49, die Nancarrow als Ausgangsmaterial vorgesehen hatte, zu einem viersätzigen Werk mit kakophonischen Verwirbelungen.
Klaus Hübner