Wozny, Joanna
as in a mirror, darkly
Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 5
Booklet: 4
Gewiss eignet sich Joanna Woznys Porträt-CD nicht zum vergnügten abendlichen Hören. Alle fünf Kompositionen darunter Kammer-, Ensemble und Orchesterwerke sind wenig kommensurable Gestalten, geprägt von Dichte, dynamischen Wechseln und Stimmungsbrüchen. Konzentrierte sich Wozny lange auf introspektiv leise Töne, so hat sie nun ganz offenbar die mikroskopische Perspektive geweitet. Stechende Sforzati gehören nun ebenso zu ihrem Vokabular wie massive Klangballungen und durchdringende Perkussion-Schläge.
Natürlich ist Wozny durch ihr Vokabular ebenso wenig zu erklären wie Bach durch den Quintenzirkel. Deutungs-Alternativen aber stellen sich nicht ein. Woznys Musik gibt kaum Richtungen vor, nimmt weder den Hörer an die Hand noch den wie der gute Booklet-Autor Daniel Ender betont konzentrierten Leser ihrer Partituren. Gewiss könnte das intendiert sein, in dem Sinne, dass Kunst besser Fragen aufwerfen als beantworten sollte. Letztlich aber scheint es Wozny an klaren Ideen zu mangeln bzw. an klaren Fragestellungen oder Konzepten. Zu ähnlich klingen folglich ihre Werke, die allesamt einen zersetzenden Auflösungsprozess durchlaufen. Weniger nüchtern formuliert: Es gelingt der 1973 im polnischen Zabrze Geborenen nicht, eine Spannung zu halten bzw. die kompositorischen Zügel so zu straffen, dass die Konzentration eine Chance hätte, auf etwas zu fokussieren. Im längsten Werk der CD, dem Orchesterwerk Loses aus dem Jahr 2006, werden die Missstände besonders deutlich. Vieles wirkt hier als bloße Beigabe, vieles ist weit mehr Effekt als Substanz, vieles wirkt stereotyp. Nach düsteren Blechbläser-Clustern kommen fragile Streicherverwischungen, unterlegt mit perkussiven Effekten. Dann wieder scheint sich etwas Neues aufzubauen: Normalerweise dienen eine Spannung suggerierende, irisierende Klangfläche, eine längere Stille oder eine Atomisierung der Instrumente als Ausgangsbasis. Doch dann einmal mehr Ernüchterung. Von Konsequenz keine Spur. Nichts oder nur sehr wenig wird da in die Hand genommen.
Gäbe es nicht die anderen Werke der technisch wie interpretatorisch so hervorragenden Porträt-CD aus dem bewährten Hause Kairos, so wären Wozny die extrem hohen Anforderungen einer Orchesterkomposition zugute zu halten. Doch auch in Return für Tenor-Saxofon und Ensemble (2006) zeigen sich ähnliche Schwächen, die nur wenig kaschiert werden können vom Konzept der geringfügigen Variation von bereits Vorhandenem. Durchaus aparte und sophistisch gesetzte Klänge lenken nur wenig ab von Problemen ganz grundsätzlicher Natur.
Torsten Möller