Duo Baars-Henneman

Autumn Songs

Verlag/Label: Stichting Wig (Amsterdam), Wig 22
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2013/05 , Seite 89

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 5
Booklet: 1

Die zehn Autumn Songs der CD von Ab Baars und Ig Henneman wurden für eine Herbsttournee durch die USA konzipiert und angeregt zumeist von Gedichten – von William Blake über Rainer Maria Rilke bis Matsuo Basho¯. Konzipiert eher als komponiert, denn es handelt sich um improvisierte Musik, allerdings in einem ganz anderen Ges­tus als dem des aggressiven Free Jazz der frühen Jahre, der kompetitiven Virtuosität der Jazz-Tradition oder der
angestrengten Geräuschmusik neuerer Berliner Provenienz.
Baars und Henneman schreiten langsam voran. Die warmen Farben von Viola und Saxofon scheinen den Farbtönen der herbstlichen Landschaft des Covermotivs, aufgenommen aus einem fahrenden Fahrzeug, zu entsprechen. Intuitiv sich vortastend, lassen sich die beiden gegenseitig viel Zeit und Raum – wie es sich für eine gute Zweierbeziehung gehört. Dabei tritt eine Eigenart improvisierter Musik hervor: Prinzipiell harmonisch, halten sich die Autumn Songs an keinerlei festes Gerüst. Tonhöhen auch einfacher Melodiefolgen bleiben variabel, mit einem feinen Sinn für Nuancen.
Der erste Titel etwa, Brows of the Morning, basiert auf einem schlichten tonalen Thema, zu dem die Viola die zweite Stimme spielt. Dann soliert das Saxofon, durchaus frei, mit Mehrklängen und Überblastechniken. Nach erneut angespieltem Thema folgt die Viola, die momentweise mit einem Pedalton fast nach indischer Musik klingt. In einem dritten Abschnitt improvisieren beide gemeinsam, nun lebhafter mit Tremoli, aufsteigenden arpeggierten Akkorden, kürzeren, schnelleren Phrasierungen, bis das Stück wieder zur Ruhe des anfänglichen Themas zurückkehrt.
Ganz anders Track 2, Nine and Fifty Swans: Mit dissonanten, gleitenden Doppelgriffen bietet die Viola ein schwankendes Gerüst für die Melodiebögen der Klarinette. Dies bleibt die meiste Zeit so, auch wenn mitunter Tonfolgen imitiert und einmal gar unisono gespielt werden. Winter comes to hush her Song beginnt mit rhythmischen Schlägen des Bogen-Rückens auf die Saiten und sehr langsamen, tiefen, in sich hineinhorchenden Shakuhachi-Klängen, und auch die Viola verweilt lang auf geringfügig schwankenden Tönen, die in Obertöne und Geräuschanteile ausperlen.
Erst der vierte Titel, It bends it sways, beginnt heftiger, mit schrillen Saxofontönen, Tremoli und Dissonanzen, bei aller Bewegung gleichwohl gemessen voranschreitend. Poor Autumn für Guillaume Apollinaire hat etwas Clowneskes. Baars greift nicht nur jedes Mal zu einem anderen Instrument, zugleich wechselt die Stimmung und der kompositorisch-improvisatorische Ansatz. The Heavy Cargo – nach Ingeborg Bachmanns Die große Fracht – beginnt mit einem dreitönigen gezupften Ostinato, ein wenig wie bei Billy Bang, von dessen vorwärtstreibender Energie hier freilich nichts zu spüren ist. Rain Curtains schließlich kehrt zurück zu einem einfachen Shakuhachi-Thema knapp außerhalb der diatonischen Skala.
Dem Duo Baars-Henneman ist eine schöne, auch abwechslungsreiche, wenn auch nicht bis zum letzten Moment durchgängig fesselnde CD gelungen.

Dietrich Heißenbüttel