Being Beauteous

Benjamin Britten: Les Illuminations op. 18 | Hans Werner Henze: Being Beauteous | Arnold Schönberg: Herz­gewächse op. 20 | Niccolò Castiglioni: Terzina | Karol Szymanowski: Slopiewnie op. 46 b

Verlag/Label: Alba ABCD 331
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/04 , Seite 78

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 5
Booklet: 3

Die finnische Sopranistin Anu Komsi hat als Interpretin vor allem zeitgenössischer Vokalwerke einen ausgezeichneten Ruf. Die vorliegende Produktion bestätigt nicht nur diese Einschätzung, sondern zeigt auch die originelle und hochinteressante Repertoirepflege der Sängerin, die ausgetretene Pfade meidet. So bietet die Zusammenstellung der beiden Arthur-Rimbaud-Vertonungen Benjamin Brittens und Hans Werner Henzes Vergleichsmöglichkeiten des Umgangs mit dieser vielfach «dunklen» Literatur: Britten mit einer stets die Gesangslinie in den Mittelpunkt stellenden Deutung steht die eher tiefschürfende Komposition Henzes gegenüber, die durch Zitate (Bach!) ein weites assoziatives Feld eröffnet. Arnold Schönbergs Herzgewächse nach Maurice Maeterlinck hört man so gut wie nie in Konzerten, was zum Teil an der exquisiten Instrumentalbesetzung liegt. Der Italiener Niccolò Castiglioni ist nach erstem und berechtigtem Ruhm in den 1960er Jahren bedauerlich schnell vergessen worden, die «Ehrenrettung» mit der Vertonung deutscher Barocklyrik ist also hochwillkommen.
Schließlich: Karol Szymanowskis später Liederzyklus nach der neologistisch-avantgardistischen Verskunst seines Landsmannes Julian Tuwim ist immer wieder eine Entdeckung wert. Der Komponist verbindet hier seine impressionistisch-orientalische Phase mit den Einflüssen polnischer Folklore, eine Klangwelt von ganz eigenem Reiz. Der Titel Slopiewnie kann, da unübersetzbar, nur umschrieben werden als eine Kombination aus den Begriffen für «Wort», «slavisch» und «singen». Das gleichsam sophistizierte Kunst-Polnisch dieser Dichtungen bewältigt Anu Komsi übrigens idiomatisch virtuos.
Und es ist diese beispielhaft anregende Zusammenstellung wichtiger, aber teilweise seltener Kompositionen, die den Reiz dieser Produktion ausmacht. Dann nimmt man auch in Kauf, dass die Interpretin zwar ihre äußerst anspruchsvollen Aufgaben technisch weitestgehend makellos meistert – auch wenn etwa in «Villes», dem stürmisch-bewegten zweiten Stück des Britten-Zyklus, die Treffsicherheit noch zu verbessern wäre –, aber die emotionale Durchdringung der so unterschiedlichen Kompositionen noch einige Wünsche offen lässt: Die technisch einnehmende Wiedergabe wirkt zuweilen etwas gleichförmig und unterschiedslos. Am meisten nähert Anu Komsi sich den Klangvorstellungen Schönbergs und Szymanowskis an, deren Werke brillant dargeboten werden. Dazu zeigen auch die beiden instrumentalen Ensembles durchweg vorzügliche Leistungen. Das Booklet, nur englisch und finnisch, hätte auf die Einzelwerke intensiver eingehen können, gerade weil es sich teilweise um Stücke handelt, die nur selten zu hören und deren Noten nicht jedermann zugänglich sind.

Hartmut Lück