berlin meets los angeles

Villa Aurora

Verlag/Label: Wergo artist.cd, ARTS 81142
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2007/02 , Seite 83

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 4
Booklet: 1
Gesamtwertung: 4

Als Lion Feuchtwanger auf der Flucht vor den Nazis in die USA emigrierte, fand er eine neue Heimat in Kalifornien. Die «Villa Aurora» in Pacific Palisades, die er ab 1943 bewohnte, fand nach dem Tode von Feuchtwangers Gattin Marta im Jahr 1987 eine neue Nutzung: 1995 wurde sie als Künstlerresidenz wiedereröffnet, die von gemeinnützigen Institutionen in Berlin und Los Angeles zum Zwecke des Kulturaustauschs getragen wird. Neben anderen Aktivitäten ermöglichen diese Institutionen Studienaufenthalte von Schriftstellern, bildenden Künstlern, Filmemachern und Komponisten in der Villa Aurora.
Mit der Konzertreihe «Berlin Meets Los Angeles in Concert» dokumentierte die Villa Aurora anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens im Jahr 2005 das Wirken ihrer Stipendiaten aus dem Bereich der Musik. Kammermusikalische Arbeiten von sieben ehemaligen Villa Aurora-Komponisten und -Komponistinnen, die in diesem Rahmen uraufgeführt wurden, finden sich auf der vorliegenden CD in Einspielungen mit dem Bläsertrio «e-vent», dem Berliner «Ensemble Mosaik» und der US-amerikanischen Gruppe «EAR Unit» dokumentiert.
lidschattenlang: der Titel von Andreas Wagners Komposition für Klarinette, deren zentraler Monolog eine nachträgliche Ergänzung durch zwei Begleitinstrumente erfuhr, könn­te das Motto der ganzen CD abgeben, deren Stücke sämtlich von sparsamer Ausdehnung sind. Klanganalytisch geht Charlotte Seither in ihrem Trio Flow vor, in dem die Flöte dominiert, während Violine und Violoncello lediglich als zwei «Unterschatten» das Spektrum des Flötenklangs erweitern. Die aus Kasachstan stammende Jamilia Jazylbekova orientiert sich dagegen beim Formprozess ihrer vierminütigen Miniatur Meries an der Vorstellung der Bewegungen der Äste und Blätter eines Baumes unter dem Einfluss des Windes. Für Bert­hold Tuercke wiederum sind Literatur und Philosophie der Ausgangspunkt des Komponierens: in seinem von Xenophons Gastmahl inspirierten Aus einem Stück für Bassklarinette, Violoncello und Schlagzeug.
Direkten Bezug zu Los Angeles und zur Villa Aurora stellen in Titel oder Gehalt drei Arbeiten her: das ruhige und eher monologische oder allenfalls dialogische trioaurora für Bläser der Japanerin Makiko Nishikaze wie auch Ulrich Kriegers before | Quake, dessen akustisches Bild als Entsprechung zu den unmerklich lang­samen tektonischen Verschiebun­gen der Erdplatten am kalifornischen St.-Andreas-Graben intendiert ist. creek von Franz Martin Olbrisch schließlich versucht den akustischen Eindruck eines Platzes an der Creek Road in Malibu wiederzugeben, wobei dessen realer, auf Band dokumentierter «Soundscape» in Instrumentalklänge übersetzt wurde.

Gerhard Dietel