beziehungsWeise

Michael Maierhof – Benjamin Schweitzer / Robert Walser – Chris Newman / Ludwig van Beethoven – Bernhard Lang / Franz Schubert

Verlag/Label: Querstand VKJK 1405
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/04 , Seite 87

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 5
Booklet: 2

Wäre da nicht das große W, dann könnte die Konjunktion beziehungs­Weise auch eine vage formulierte Umschreibung oder Abkürzung bedeuten. Nun, das ist nicht der Fall. Thematisiert ist der Bezug auf ältere Komponisten oder auch tradierte Kompositionsverfahren. Benjamin Schweitzer entscheidet sich nach einer intensiven Beschäftigung mit Th. W. Adornos Differenzierung von «intensivem» und «extensivem» Werktypus für letzteren. Schweitzer breitet seine Materialien aus, zielt nicht auf Komprimierung á la Webern. Sympathisch hört sich dieses ungezwungene Marraskuu (1998, rev. 2004) an. Der extensive Werktypus hat offenbar seine Vorzüge. Das erläutert der Komponist auch selbst in seiner schönen Werkbeschreibung, in der die Adorno’sche Gegenüberstellung von Beet­­hovens Erzherzog-Trio in Es-Dur op. 97 (extensiv) und dessen Streichquartett in f-Moll op. 95 (intensiv) zu Wort kommt.
Auf Beethoven bezieht sich auch Chris Newman. Direttissima nimmt er Beethovens Fünfte ins Visier, lässt das Klavier immer wieder das Ausgangsthema spielen, während Violine und Cello eigenständiger agieren und das Thema frei assoziativ und oft glissandierend umspielen. Der von New­man so genannte «inzestuöse zweistimmige» Kontrapunkt überzeugt stellenweise, doch die Idee ist überstrapaziert. Etwas mehr von einem «intensiven Werktypus» hätte diesem Weird Words In A Language Which We Understand (2008) gut getan. Das Schicksalsmotiv ist einfach zu «lädiert» bzw. abgenutzt. Selbst für den ironisch-distanzierten Gebrauch eignet es sich nur noch bedingt.
Ähnliches gilt für Bernhard Langs Monadologie XX … for Franz (2012). Wieder einmal frönt Lang seinen maschinellen Bearbeitungen bereits existierender Partituren. Ob nun An­ton Bruckner der Bezugspunkt ist oder – wie in diesem Fall – das Trio Es-Dur op. 100 von Franz Schubert, scheint weitestgehend irrelevant im Rahmen einer Ästhetik, deren einzig verstörendes Moment die ostentative Beharrlichkeit ist, mit der sich Lang seinem derart Wiederholungs-lastigen Monadologie-Prinzip widmet.
Die Aufnahme von Michael Maierhofs Exit E (2010/11) ist aus anderen Gründen nicht zu verstehen. Seine hochinteressante Forschungsarbeit im Schnittmengen-Bereich von Geräusch und Ton – um der «unproduktiven Dichotomie von Tonhöhe und Geräusch zu entkommen», spricht Maierhof lieber von «Klangkomplexen» –, beruht auf der Bereicherung des Klaviertrios mit
allerhand Resonatoren, Klang anregenden Motoren oder mitschwingenden Kugeln. Warum Maierhof bei der Komposition seiner so reichen Welt immer «dramaturgisch» denkt, hätte im kurzen Beitrag des Cellisten Matthias Lorenz schon genauer erklärt werden müssen. So bleibt es bei einer Behauptung, die nur mit Mühe und Not die Beziehung zur Musiktradition unterstreicht; laut Lorenz soll dort wenigstens das dramaturgische Hören eine Rolle spielen. Nun ja. Es bleibt bei einem nicht ganz nachvollziehbaren Programm inklusive Höhen und Tiefen.

Torsten Möller