Bob Rutman’s Steel Cello Ensemble

feat. Ginsberg, Hentz, Irmler

Verlag/Label: Klangbad 48CD
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/04 , Seite 94

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 4
Booklet: 1
Gesamtwertung: 4

In den letzten Minuten dieser CD wird man Zeuge eines kurzen Gesprächs zwischen den Musikern. «Eigentlich sollten wir wieder von vorne beginnen», stellt jemand in einem Englisch fest, das von einem starken deutschen Akzent durchtränkt ist. Die Beteiligten reagieren zunächst nicht, überlegen, zögern und stellen schließlich fest, dass das wohl eine gute Idee sei.
Dieser Blick hinter die Kulissen weist auf ein wesentliches Merkmal in der Arbeit von Bob Rutman hin: den Neubeginn. Einen Neubeginn, der nicht nur einmal notwendig ist, sondern immer wieder eingefordert wird, auch außerhalb der Kunst.
Die Biografie des Achtzigjährigen ist geprägt von dem Trauma der Flucht aus Nazideutschland, die den gebürtigen Berliner zusammen mit seiner Mutter nach Amerika führt. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten setzt Rutman neu an, wird Künstler und Musiker, Galerist und Instrumentenbauer, Bildhauer und Maler. Projekte kommen und gehen, ein wirklicher Erfolg bleibt allerdings aus. Rutman lässt sich nicht entmutigen, kämpft, wiederholt, bleibt stur, erleidet zwei Schlaganfälle und malt in seiner Karriere über 600 Bilder. Die Motive werden nur leicht variiert, sind oft identisch: ein Stuhl oder eine Frau vor wechselndem Hintergrund. Die Ähnlichkeit der auf der Leinwand fixierten Objekte suggeriert auch hier einen Wiederbeginn. Sobald ein Bild fertig ist, drückt Rutman auf die Reset-Taste, löscht es aus, um es erneut zu malen. Rutmans Lebenswerk aber ist das Steel Cello, eine überdimensionale Klangmaschine mit langen Stahlsaiten, deren Sound an eine Staffel herannahender Bombenflugzeuge erinnert, Be­drohung und Zerstörung signalisiert und alle mitspielenden Instrumente gnadenlos dominiert.
Das merkt man auch bei den acht Stücken dieser CD: Hans Joachim Irmlers Gitarre, Elektronik und Orgel, Mike Hentzs Maultrommel und Kersten Ginsbergs treibendes Schlagzeug müssen sich dem Stahlcello unterordnen, immer wieder gegen den alles vereinnahmenden Bordunton ankämpfen, ihn umspielen, rhythmisch auslegen oder humorvoll karikieren, zum Beispiel mit unverständlichen Wortfetzen oder einem dilettantisch anmutenden Obertongesang. Besonders schön ist der Einsatz von Synthesizern, die Irmler in dem Stück Oyo Arpeggios spielen lässt und womit er die schwarze Tiefe der Musik mit hellen Lichtstrahlen durchstößt.
Bob Rutman bezeichnete seine Kunst in einem Interview einmal nonchalant als «Scheiße», als minderwertiges Ausscheidungsprodukt. Ob aus dieser Äußerung die Verbitterung eines Künstlers spricht, der immer nur als Geheimtipp vermarktet wurde, ist möglich. Sein neuester Streich wird sicherlich noch immer nicht den erhofften Erfolg mit sich bringen. Es ist aber ein solides und unterhaltsames Album geworden, voller Energie und Vitalität. Und so viel steht schon fest: Es wird auch nicht das letzte für Rutman sein. Neuanfänge sind schließlich seine Stärke.
Raphael Smarzoch