Samy Moussa
Cyclus
Samy Moussa
Musikalische Wertung: 1
Technische Wertung: 5
Booklet: 2
Seit 2011 spendiert die Ernst von Siemens Musikstiftung im Rahmen ihres jährlich vergebenen Komponistenpreises jeweils drei Preisträgern eine CD-Veröffentlichung bei col legno. Die Reihe der Geehrten liest sich wie ein Who is who aufstrebender Vertreter einer jungen Komponistengeneration, die sich fortschreitend Profil schafft und im Konzert- und Musikleben verankert.
In der Vergangenheit gelang der Reihe immer wieder gekonnt der Spagat zwischen dem, was der bürgerliche Konzertbetrieb zu goutieren bereit war, und davon gänzlich unabhängigen, kontroversen und unverbrauchten Kompositionsansätzen. So zählt etwa Marko Nikodijevic zu den Preisträgern, der mit überraschenden Ergebnissen Verfahren aus der elektronischen Clubmusik auf Klangkörper der klassischen Moderne anwendet, oder Zeynep Gedizliog?lu, die mit poetischer Leichtigkeit eklatante Heterogenitäten unterschiedlichster Art in ihren Werken verhandelt.
2013 war Samy Moussa unter den Preisträgern. Auf seiner Porträt-CD tritt der kanadische Komponist auch als Interpret seiner eigenen Werke in Erscheinung. Die ersten beiden der 4 Études, das Prélude seiner Oper Lautre frère sowie das Kammerkonzert kommen unter seiner Führung zu Gehör. Die Produktion legt Wert auf autorisierte Interpretation, für die des Weiteren hochkarätige Institutionen vom ORF Radio-Symphonieorchester bis zum Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter der Leitung von Kent Nagano bürgen. Nagano ist Moussa auch abseits des Pultes freundschaftlich verbunden und hat bereits mehrere Werke für das Orchestre symphonique de Montréal bei ihm in Auftrag gegeben. Auch die Abmischung der CD ist tadellos.
Dem Hörgenuss steht einzig die Musik selbst im Wege, die sich ständig darin erschöpft, von einem verträumten piano-Moment zur nächsten brachialen Orchesterkaskade aufzubrechen. Schon die erste der 4 Études schwillt unermüdlich und mit großer Geste an und ab, Streicherwellen prallen gegen Posaunenfelsen. Wie nach einem Schlag aufs Ohr geben Piccoloflöten den plakativen Tinnitus danach. Schlagwerk markiert die erste Klimax, nun dürfen die Streicher akrophobisch flirren. Hier gibt es alles, was das zeitgenössisch geschulte Hörerohr begehrt: aufgeraute Klangflächen vor wild gegen den Takt gesetzten Blechbläsern (Cyclus), Anklänge an Ligetis Mikropolyphonie und Xenakis physische Expressivität im Kammerkonzert, hochvirtuose Klavierakrobatik im einzigen Solostück der CD, À lassaut des jardins. Alle diese formelhaft nacheinander aufgerufenen Klangklischees lassen die Musik aber in jedem Moment kalkuliert und, sich selbst reduzierend auf ihre hochglanzpolierte Oberflächlichkeit, im unangenehmsten Sinn gefällig klingen. Der tosende Gestus verpufft ins Nichts.
Im Booklet ist davon die Rede, dass die Musik von Samy Moussa «viril» sei und er als Komponist an «ausdrücklich experimentellen Ansätzen» kein Interesse habe. Hätten es die Adjektive «chauvinistisch» und «konservativ» nicht besser getroffen?
Patrick Klingenschmitt