Butcher, John / Sanders, Mark

Daylight

Verlag/Label: Emanem 5024
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/04 , Seite 82

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 4
Booklet: 3

John Butcher (Jahrgang 1954) ist einer der exponiertesten Saxofonisten der britischen Avantgarde-Szene. Sein Spezialgebiet sind die Zwischen- und Spalttöne, die sich jenseits der konventio­nellen Noten befinden und nicht ins Raster des westlichen Tonsystems passen. Solche Töne entstehen nicht durch reine Intonation, sondern durch ihr Gegenteil. Butcher lässt das Material klingen, bringt das Metall seines Saxofons zum Vibrieren. Überblastechniken und Obertonphänomene sind sein Me­tier. Manchmal tönt sein Instrument wie ein Nebelhorn, dann wieder wie mysteriöse Pfeifgeräusche oder das wohlige Schnurren einer Katze.
Im Schlagzeuger Mark Sanders hat der Saxofonist einen ebenso erfahrenen wie aufmerksamen Partner gefunden, der über eine schlafwandlerische Intuition und hervorragende Technik verfügt, darüber hinaus eine originelle Trommelsprache pflegt sowie Spannungs­bögen auf- und abbauen kann. Im Auftaktstück gehen die beiden auf große Reise, entwerfen ein Klanggebilde von halbstündiger Dauer. Dabei durchqueren sie eigentümlichste Klanglandschaften, deren Spektrum von roher Wildheit bis zu subtiler Beschaulichkeit reicht. Gelegentlich zirpt Butcher auf seinem Saxofon wie die Grillen im Gras oder zwitschert wie die Vögel in den Bäumen. Dann faucht und gurrt er, während Sanders seine Schlagzeugfelle zum Singen bringt, die Metallbecken zischen lässt und Trommelschläge zu prasselnden Wirbeln verdichtet. Über die Jahre ist die freie Improvisation berechenbar geworden. Hier vernimmt man zwei unverwechselbare Stimmen, die sich auf wunderbare Weise zu einem einzigen Ausdruck verbinden.     

Christoph Wagner