DEGEM CD 12: Seltene Erden
Elektronische Kompositionen von Brian Smith, Monika Golla, Marc Behrens, Hofmann/Rofalski, Der 2te Freund, Gerald Eckert, Johannes S. Sistermanns, Marcus Beuter, Gerriet K. Sharma, Haarmann, Gerald Fiebig und Michael Harenberg
Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Booklet: 4
Seltene Erden sind Metalle, Rohstoffe, die in der Produktion von Smartphones, Tablets, Flachbildschirmen oder Laptops eingesetzt werden, in Hochtechnologie-Objekten also. Ein Leben ohne diese Gadgets ist im Zeitalter der omnipräsenten Digitalisierung mittlerweile unvorstellbar geworden. Die vorliegende Kompilation schwelgt allerdings nicht in unkritischer Bewunderung des technologischen Fortschritts, sondern hinterfragt ihn über die Inspektion seiner Produktionsbedingungen, die verheerende Auswirkungen auf Umwelt und Menschenrechte haben. So ist die Stimmung der insgesamt zwölf Tracks düster, von dunklen, monochromen Klangfarben geprägt, die ein dystopisches Zukunftsgemälde zeichnen, Lebensräume mit abgetragener Natur und sozialer Ungerechtigkeit beschwören.
Den Schmerz, der mit dem Abbau der seltenen Erden einhergeht, die Leiden der ausgebeuteten Arbeiter und die Zerstörung ökologischer Systeme, vertont Marcus Beuter in seinem gleichnamigen Stück. Dafür arbeitet er mit harschen Sounds, erforscht er rauschende Texturen und Rückkopplungen. Mit Feedback experimentiert auch Brian Smith, setzt es aber deutlich stimmungsvoller und sanfter ein: lässt es an- und abschwellen und verbindet es mit menschlichen und artifiziellen Stimmen, die stichwortartig von den Problemen und Konsequenzen berichten, die bei der Beschaffung der Metalle auftreten. Feedback wird hier zu einem Sinnbild für Kontrollverlust, ein in Endlosschleifen verlaufender Prozess, der sich niemals vollständig beherrschen lässt. Führt die Endlosschleife des heutigen Konsumwahns, immer die neuesten technische Geräte besitzen zu müssen, auch zu einem Kontrollverlust?
Der Klangkünstler Marc Behrens simuliert digitale und analoge Schürfprozesse, indem er unter anderem mit abgetragenen Klängen auf magnetischen Tonbändern experimentiert. Die zum Einsatz kommenden Sounds sind sehr leise und fragil, bestechen allerdings durch eine klangliche Schärfe und einen ausgeprägten Sinn für Details. Es scheint, als höre man hochauflösenden Mikroskop-Aufnahmen zu.
Von der Leere abgetragener Landschaften lässt sich Gerald Eckert inspirieren, eine morbide Faszination, die eine gespenstische Komposition aus Industrieklängen und elektronisch manipulierten menschlichen Stimmen hervorbringt.
Gerald Fiebig denkt in Forbidden Transformation über die Dependenz der elektronischen Musik von den Seltenen Erden nach. Das realisiert er mit minimalistischen Mitteln und arbeitet ausschließlich mit Geräuschen, die beim Ein- und Ausschalten eines Verstärkers entstehen. Den Abschluss des zwölften Teils der DEGEM-Reihe, die diesmal von Denise Ritter kuratiert wurde, macht Michael Harenberg mit einem Tornado aus digitalen Interferenzen ein erfrischendes Ende für eine gelungene und zum Nachdenken anregende Kompilation.
Raphael Smarzoch