Kunkel, Michael / Marina Papiro (Hg.)

Der Schall

Mauricio Kagels Instrumentarium, mit CD

Verlag/Label: Pfau, Saarbrücken 2009
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2009/05 , Seite 93

Als unermüdlicher Ideenproduzent war er bekannt, als fantasievoller Frei­geist und als Schlüsselfigur der Nach­kriegsavantgarde: Mauricio Kagel. Vor allem in den späten 1960ern experimentierte er mit Instrumenten jeg­licher Couleur. Diverse außer­euro­pä­ische Instrumente wurden erkundet (Exotica für sechs Ausfüh­rende, 1971/ 72), skurrile Gesellen der Musikgeschichte wiederentdeckt (Musik für Renaissance-Instrumente, 1965/66) und Alltagsgegenstände mu­sikalisiert (Der Schall für fünf Spieler, 1968) – wohlgemerkt lange bevor heutige Komponisten wie selbstverständlich für Autofedern, Fahrradschläuche oder Aluminiumpapier kom­ponieren.
Als Publikation der Abteilung Forschung und Entwicklung der Hochschule für Musik der Musik-Akademie der Stadt Basel erschien der Sammelband Der Schall. Das gleichnamige Werk Kagels ist seit seiner Erstaufführung im Jahr 1968 in Brüssel nicht mehr aufgeführt worden. 2007 fanden im Rahmen eines Kagel-Festivals die Baseler Musik­akademie, die Paul Sacher Stiftung und das Musikmuseum Basel zusammen, um Der Schall erneut einzustudieren. Der umfangreiche Sammelband reflektiert zum Einen die Prob­leme, die sich bei einer solchen Aufführung stellen. Zum anderen bietet er einen tiefen Einblick in eine Schaffensphase Kagels, die – darauf weisen Kommentare des einstigen Kagel-Assistenten Fred van der Kooijs hin – wesentlich von den Erfahrungen mit der Elektronischen Musik lebte. Wie bei der Arbeit im Studio so ging es Kagel in den 1960er Jahren nicht primär darum, bekannte Klänge zu ordnen, sondern direkt am Klang zu arbeiten. Seine Integration verschiedenster Materialien, die zum großen Teil im Musikmuseum Basel aufbewahrt sind, legt davon beredtes Zeugnis ab.
Das Verdienst des hervorragend redigierten und lektorierten Sammelbandes ist enorm: Wie die Heraus­geber Papiro und Kunkel betonen, ist an Musikhochschulen bisher «viel zu wenig unternommen» worden, «um unangepasste musikalische Konzepte in Lehre und Forschung» einzubringen. Mit den detaillierten Beschreibungen des umfangreichen Kagel’­schen Instrumentariums, zahlreichen Abbildungen seiner verwendeten Instrumente und Skizzen und obendrein mit einer beigefügten CD können wertvolle Erkenntnisse (nicht nur) für die Interpretation Kagels gewonnen werden. Zu Recht hält Martin Kirnbauer, Leiter des Musikmuseums Basel, fest: «Ein Problem stellt sich in der Neuen Musik ja auch dadurch, dass die Technik schnell veraltet, dass man alte originale Apparaturen braucht, um historische Neue Musik aufführen zu können.» Mit Büchern dieser Art kann man das in den Griff bekommen.

Torsten Möller