Mozart, Wolfgang Amadeus

Die Entführung aus dem Serail

Produktion Salzburg 1967

Verlag/Label: VAI 452
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/01 , Seite 83

Zu den bunten Effekten der heutigen Medienästhetik, denen die Opernproduktionen manchmal über Gebühr ausgeliefert werden, bildet die seinerzeit viel gerühmte Salzburger Inszenierung von Mozarts Entführung aus dem Serail durch Giorgio Strehler einen erhellenden und auch wohltuenden Kontrapunkt. Die Aufzeichnung in Schwarz-Weiß und Mono von 1967 wirken zwar tech­nisch hoffnungslos veraltet, und einige deutlich wahrnehmbare Retuschen an der Aufzeichnung passen auch nicht gerade zum heutigen Perfektionsanspruch bei Opernaufzeichnungen. Doch schmälern diese Beschränkungen den hohen Wert dieser Ausgrabung keineswegs. Gerade in der verengten Perspektive der alten Schwarz-Weiß-Fernsehnorm treten die außerordentlichen Qualitäten, die die Arbeit des italienischen Meisterregisseurs auszeichneten, mit aller Deutlichkeit in Erscheinung.
Mit wenigen, aber unerhört präzis eingesetzten Mitteln erzeugt Strehler ein Maximum an dramatischer Wirkung, woran das stilisierte Bühnenbild von Luciano Damiani mit seinen Schiebekulissen, blitzschnellen Szenenwechseln und ausgetüftelten Licht­effekten maßgeblichen Anteil hat. Charakteristisch für die reduktionistische Ästhetik sind die Momente, in denen die Vordergrundbeleuchtung aussetzt und von einem hellen Schimmer auf der Rückwand abgelöst wird, der die Figuren nur noch als Schattenriss erscheinen lässt. Mozarts aufklärerisches Orientmärchen wird mit einer Naivität zweiten Grades erzählt – ohne den ganzen Abhub an kulturtheoretischen Spekulationen, Gendertheorien und Sexfantasien, mit denen einfallswütige Regisseure das Werk heute beschweren, in Verkennung der Tatsache, dass es mit seiner zeitlosen Aussage solche «Aktualisierungen» gar nicht nötig hat. Strehlers Inszenierung konzentriert sich ganz auf die Charakterisierung der Personen und die Darstellung der inneren Vorgänge.
Auch musikalisch setzt diese historische Aufnahme Maßstäbe; gesungen wird auf einem Niveau, von dem man heute nur noch träumen kann. Unter der Leitung des jungen Zubin Mehta musiziert ein perfekt aufeinander abgestimmtes Ensemble mit einer alles überragenden Ingeborg Hallstein als Konstanze.

Max Nyffeler