Braunfels, Walter

Die Vögel

Verlag/Label: Arthaus 101530 (1 Blu-ray) und 101529 (1 DVD)
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/03 , Seite 78

Vergessenes Bühnenmärchen: «Die Vögel» von Walter Braunfels

Aus dem fernen Kalifornien kommt die Aufzeichnung eines Werks, das beispielhaft für «Old Europe» steht und nach der Münchner Uraufführung 1920 unter Bruno Walter große Erfolge erzielte, heute aber praktisch vergessen ist: Die Vögel, ein lyrisch-fan­tastischer Zweiakter von Walter Braunfels (1882-1954). Dass die Geschichte darüber hinweggegangen ist, hat nicht nur mit der Ächtung des Komponisten durch die Nazis und der damit gebrochenen Rezeptionsgeschichte des Werks zu tun, sondern wohl auch mit Braunfels’ prononciert rückwärtsgewandter Haltung – mit dem Versuch, mit einer an Wagner und Strauss orientierten Musiksprache noch einmal die Welt der alten Märchenromantik heraufzubeschwören. In seinem hartnäckigen Beharren auf den Positionen einer spätbürgerlichen Ästhetik, die im Ersten Weltkrieg untergegangen war, stand Braunfels auf ähnlich verlorenem Posten wie Hans Pfitzner, ein anderer Konservativer der Weimarer Republik.
Von der Komödie des Aristophanes übernimmt Braunfels’ Libretto nur den Handlungsrahmen; die satirisch-gesellschaftskritischen Elemente in der antiken Vorlage bleiben außen vor, an ihre Stelle tritt die Sehnsucht nach der unentfremdeten Natur und die Suche nach der blauen Blume der Romantik. Eine solche Thematik dürfte einer Wiederbelebung des Werks nach 1945 extrem hinderlich gewesen sein. Dazu kommen dramaturgische Schwächen: Die Musik breitet sich allzu oft quasi-sinfonisch aus, was den Fortgang der Handlung lähmt. Doch ist die Partitur reich an Farben, und so gelingen Braunfels immer wieder stimmungsvolle Momente. Vor allem die zent­rale Figur der Nachtigall (Désirée Rancatore) verströmt mit ihren lyrischen, irgendwo zwischen der Königin der Nacht und Zerbinetta angesiedelten Koloraturen atmosphärischen Zauber.
Die Los Angeles Opera setzte bei ihrem mutigen Wiederbelebungsversuch auf eine bilderbuchhafte Inszenierung mit einem knallbunten, fernsehgerechten Bühnenbild, in dem der Regisseur Darko Tresnjak seine Figuren leider meist nur hilflos herumstehen lässt. Offensichtlich wollte man bei dem unbekannten Werk szenisch auf Nummer sicher gehen, doch gerade damit wurde viel von einer möglichen Wirkung verschenkt. Durchaus gelungen ist dagegen die musikalische Seite. Auch wenn ein gewisser Wiedergängereffekt nicht abzustreiten ist: die Ausgrabung ist nicht ohne Reiz.

Max Nyffeler