Baron, Joey / Robyn Schulkowsky

Dinosaur Dances

Verlag/Label: L-M 30619
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/04 , Seite 91

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 4
Booklet: 2
Gesamtwertung: 4

Sie gelten als absolute Spitzenkönner ihres Genres: Joey Baron im Jazz, Robyn Schulkowsky in der neuen Musik. Baron hat den Ruf, einer der besten Drummer der aktuellen Jazzszene zu sein. Sein spannungsreiches und dynamisches Schlagzeugspiel verleiht jeder Band einen federnden Drive und dazu eine hellsichtige Klarheit, egal ob es sich um das Ensemble von John Zorn, Bill Frisell oder John Aber­crombie handelt. Robyn Schulkowsky könnte man als weibliches Äquivalent von Baron in der neuen Musik bezeich­nen. Seit Jahrzehnten zählt die Amerikanerin, die seit langem in Deutschland lebt, zu den profiliertesten Schlag­werkern der E-Musik-Avantgarde. Sie hat Werke von Karlheinz Stockhausen, Mauricio Kagel und Walter Zimmermann uraufgeführt und mit Christian Wolff, Cage, Feldman, Xenakis, Holliger und Lachenmann gearbeitet, um nur ein paar wenige Namen ihrer langen Referenzliste zu nennen.
Für ihr gemeinsames Unternehmen ließen sich die beiden von den großen Trommeltraditionen der Welt inspirieren (von kubanischen Rumba-Ensembles bis zu Trommlergruppen aus Afrika) sowie von Perkussionswerken der E-Musik-Avantgarde (etwa Varèses Ionisation) und den diversen Trommelprojekten von Art Blakey oder Max Roach im Jazz. 23 Miniaturen enthält das Album, von denen die meisten einen durchgehenden Groove besitzen, um den herum sich die Musik entfaltet. Alle Stücke, manche davon gerade mal eine Minute lang, sind genauestens strukturiert und werden mit höchster Präzision ausgeführt.
Keine Schlagzeugorgien werden hier geboten, sondern eine metrisch komplexe Trommelmusik mit melodischer Dimension, ein polyrhythmisches Spiel mit fließendem Trommelmuster, Synkopen und Akzentverschiebungen. Den meisten Kompo­sitionen liegt ein einziger Hauptgedanke zugrunde, der klar und deutlich in Szene gesetzt wird. Im Mittelpunkt steht ein von Schulkowsky entworfener, zwei Meter langer Marimba-Stab, der meistens mit den Händen gespielt wird und vielfältige Klangmöglichkeiten bietet. Gongs, Cymbals und Glocken bringen weitere Klangfarben ins Spiel. Nur selten kommt ein reguläres Schlagzeug zum Einsatz, das dann aber von Baron mit Besen oder normalen Stöcken äußerst farbenreich bedient wird, wobei Schulkowsky summende Obertöne beisteuert, die sie durch das Reiben unterschiedlicher Metallbecken erzeugt. Nie erliegen die beiden der Versuchung, sich in protzigen Technikdemonstrationen zu ergeben. Es geht ja eigentlich auch nicht ums Trommeln, sondern um Musik.

Christoph Wagner