Paulo Ferreira Lopes - Arturo Fuentes - Juan Camilo Hernández Sánchez - Phivos-Angelos Kollias - Tom Mays - Bernd Schultheis - Agostino Di Scipio

Enlarge Your Sax

Kompositionen für Saxofon und Elektronik

Verlag/Label: Wergo WER 20742
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/05 , Seite 80

Musikalische Wertung: 3

Technische Wertung: 5

Booklet: 1

 

Der Titel Enlarge Your Sax ist zugleich Programm: denn der brasilianische Saxofonist Pedro Bittencourt erweitert sein Instrument durch den Einsatz von Elektronik beträchtlich. Alle Werke auf dieser CD – unter anderem von Arturo Fuentes, Juan Camilo Hernández Sánchez, Agostino Di Scipio und Bernd Schultheis – bereichern das Klangspektrum des Saxofons oder besser gesagt: der Saxofone enorm. Bittencourt spielt auf dieser Aufnahme nämlich Sopran-, Alt-, Tenor- und Baritonsaxofon.
Entstanden ist das Projekt durch Bittencourts Zusammenarbeit mit zahlreichen Komponisten, die er wäh­rend eines Aufenthalts in Karlsruhe kennenlernen konnte. Im Kubus des ZKM, dem für elektronische Musik akustisch optimalen Konzertsaal des Karlsruher Medientechnologiezent­rums, waren die meisten der auf dieser CD vertretenen Stücke uraufgeführt worden. Enlarge Your Sax ist der fünfte Teil einer vom ZKM produzierten Reihe von Kompositionen für Soloinstrumente und Elektronik.
Schon das erste Stück dieser CD, Medusa de Lumbre, zeigt, wohin die Klangreise geht: Denn Juan Camilo Hernández Sánchez entlässt immer neue «Klangschlangen» aus dem Saxofontrichter, die sich mal von links nach rechts, mal von rechts nach links winden oder manchmal auch durch die Mitte kriechen. Mittels gezielter Panning-Techniken wird der sonore Klang des Baritonsaxofons nicht nur vervielfacht, sondern auch effektvoll verräumlicht.
Stärker auf subtile klangliche Effekte zielt Modes of Interference No. 2 von dem Italiener Agostino Di Scipio: Hier wird die Live-Elektronik so eingesetzt, dass raffinierte Rückkopplungseffekte entstehen, die dem mit einem Kontaktmikrofon bestück­ten Sopransaxofon eine ganz eigene Färbung verleihen. Nicht minder fein ziseliert ist Stratifications von dem in Berlin lebenden Bernd Schultheis, der auch Geräuschklänge, die mit erweiterten Spieltechniken erzeugt werden, elektronisch verändert und dadurch sehr verschiedene, horizontal verlaufende Klangschichten zu einer Art Klangskulptur auftürmt. 
Ähnlich skulptural gedacht ist auch Plexus für Tenorsaxofon und Elektronik von dem in Tirol lebenden mexikanischen Komponisten Arturo Fuentes: Die Instrumentalstimme dieses meist sehr dunkel grundierten Werks erhält durch die Elektronik gleichsam einen digitalen Schatten, der stets von Neuem zu wild wuchernden Gestalten geformt wird. 
Eine weibliche Stimme und eine Vielzahl von Geräuschen aus der Alltagswelt mischt wiederum der portugiesische Komponist Paulo Ferreira Lopes in seinen Três peças do livro da escuridão zum solistischen Baritonsaxofon. Dieses «Buch der Dunkelheit» kreist um ebenso düstere wie ferne Erinnerungen, die den Komponisten emotional bewegen. Womit auf dieser CD auch einige durchaus theatralische Szenen elektronisch erzählt werden.
Ein grafisch verwirrendes und wenig informatives Booklet, das au­ßer den allgemeinen Projektideen und den Biografien der Komponisten we­nig Informatives zu den insgesamt sieben Kompositionen beinhaltet, trübt ein wenig den Gesamteindruck. 
Reinhard Kager