Hiller, Egbert

“Es gibt für die Zukunft der Musik nichts zu fürchten”

"Zukunftsmusik" im Spannungsfeld von Kunst und Gesellschaft

erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/05 , Seite 38

"Kinder, schafft Neues", forderte Richard Wagner 1852 in einem Brief an Franz Liszt – in einer Zeit nicht nur der krassen sozialen und gesellschaftlichen Veränderungen, sondern auch der ästhetischen Umwälzungen. Dass zivilisatorische und künstlerische Prozesse zumindest auf intuitiver, unbewusster und abstrakter Ebene voneinander abhängig sind, zeigt sich markant am Beispiel des Aufbruchs in die sogenannte Moderne. Im Zuge wachsender Individualisierung und Psychologisierung der menschlichen Beziehungen sowie der Fragmentarisierung der Wahrnehmung im Kontext von Industrialisierung, Medialisierung und neuen Verkehrsmitteln mutierte die Kunst vom "Abbild" der Welt zur "Gegenwelt" – im übertragenen Sinn von der Nachahmung der «äußeren Natur» zur Erforschung der "inneren Natur".Ängste und Unbehagen angesichts jähen Wandels, die Furcht vor dem Verlust alter Werte und Privilegien korrespondierten mit Fantasien, «Träumen» und Fluchtgedanken, die auf fiktive Ersatzparadiese gerichtet waren – was sich auch auf dem Feld der Musik, der per se abstraktesten der Künste, beobachten lässt.