extended piano
Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 5
Booklet: 5
Gesamtwertung: 5
Das Klavier, oder besser der Flügel als Perkussionsinstrument: Schläge auf den Korpus lassen den großen Resonanzraum erklingen, erwirken eine Art akustisches Doppelbild des zunächst tönenden, eher dumpfen Schlages; gesteuert durch Pedal, Intensität der Schläge und Kürze der Abfolgen. Erst im letzten Teil des elfminütigen Stücks greift der Pianist in die Tasten, erinnert quasi daran, dass das Klavier doch eigentlich das Akkord- und Virtuoseninstrument schlechthin ist.
Nicht nur Benjamin Lang widersetzt sich in seinem Stück ABDucensparese der Tradition der (technischen) Virtuosität; auch den anderen auf dieser CD versammelten Stücken für Klavier und zuweilen Zuspielung oder Live-Elektronik liegt die Suche zugrunde, das Instrument neu zu befragen, neu zu denken. Sebastian Berweck ist ein Pianist, der technische Virtuosität sehr wohl beherrscht, der jedoch mehr möchte, als diese zu zeigen. Er zählt zu den Initiatoren zahlreicher Kompositionen, stets der Frage nachgehend, was Zeitgenossenschaft für das Klavierspiel bedeuten kann, wobei er oft genug auch als Performer, nicht nur als Interpret agiert.
Fünf Antworten hat Sebastian Berweck hier zusammengestellt. In all diesen Stücken wirkt der Pianist eher als Kooperationspartner des Instruments denn als sein Dompteur. Impulse des Pianisten dienen oft dazu, ganze Kettenreaktionen anzutriggern: etwa die Schläge gegen den Korpus bei Benjamin Lang oder das Auflegen eines E-Bows oder das Repetieren eines Tons bei James Saunders. Saunders nimmt diese kurzen Tonrepetitionen mittels Diktiergerät, also low-tech, auf, spielt sie in unterschiedlichen Abspielgeschwindigkeiten, mithin Tonhöhen wieder zu. Die Zuspielung ersetzt quasi den Virtuosen, füllt den Ambitus des Instruments. Das Rauschen des Geräts durchbricht zusätzlich die Strenge der wohltemperierten Stimmung.
Low-tech als Gegenpol zum pianistischen Virtuosentum auch in Thomas Wenks Stück Recordame aus dem Jahr 1999. Ein simpler Kassettenrekorder nimmt auf, spielt zu, der Pianist bedient die klackenden Tasten, rhythmisch präzise als erweiterte Tastatur im Spiel. Johannes Kreidler verwendet Zuspielungen, die den Klavierambitus zum Teil erweitern, zum Teil fremde Klänge beinhalten. Auch er verwischt gelegentlich die Grenze zwischen Live-Spiel und Zuspielung, bettet das Klavier in einen Gesamtklang ein, statt es traditionell zum Hauptakteur zu machen.
Michael Maierhof schließlich ist ein Experimentator. Sein Ziel war es, nicht nur das Klangfarbenspektrum des Klaviers zu erweitern, sondern ganz gezielt verschiedene Obtertonspektren herauszuarbeiten. splitting heißt seine Werkreihe für Soloinstrumente, denen solche Experimente zugrunde liegen. Aufgespaltet wird ein Klavierton jeweils mithilfe eines E-Bows und resonierender Glaskugeln. Das Stück selbst ist kein Experiment mit ungewissem Ausgang mehr, sondern sein Ergebnis: Präzise notiert, klanglich pointiert lenken Komponist und Pianist das Ohrenmerk auf einzelne Klangspektren.
Nina Polaschegg