Die Like A Dog

Fragments Of Music, Life And Death Of Albert Ayler / Little Birds Have Fast Hearts No 1 / Little Birds Have Fast Hearts No 2 / Aoyama Crows

Verlag/Label: Jazzwerkstatt JW 060
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2009/05 , Seite 89

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 5
Booklet: 5
Gesamtwertung: 5

 

Sterben wie ein Hund. Dieses unschöne Lebensende erreichte am 25. November 1970 den amerikanischen Jazzmusiker Albert Ayler, der an diesem Tag tot aus dem East River in New York geborgen wurde. Ob Selbsttötung oder Unfall oder Fremd­verschulden – die Umstände seines Todes wurden nie konkret aufgeklärt. Ohne diesen tragischen Todesfall hätte es «Die Like A Dog», das Projekt des Wuppertaler Saxofonis­ten Peter Brötzmann, wahrscheinlich nie gegeben. Zwischen 1993 und 1999 veröffentlichte «Die Like A Dog» vier Alben in gleicher Besetzung. Die Jazzwerkstatt Berlin veröffentlicht sie nun als Vier-CD-Box und einem informativen Booklet mit Texten von Brötzmann, Steve Lake und einem Gespräch zwischen Felix Klopotek und Peter Brötzmann.
In der Verbeugung vor Albert Ayler war es der feste Wille des Quartetts, dessen Musik nicht nachzuspielen, sondern sie als Inspira­tionsquelle eigener Kreativität und beharrlicher Weiterentwicklung des Free Jazz-Kosmos im Ohr zu haben. Ayler verkörperte nicht nur das expressive Element des Free Jazz, seine Musik umwehte oft ein Hauch Spiritualität. So beginnt die Hommage an ihn mit einem fan­farenmäßigen Eröffnungsbild, das sich graduell in eine hektische Entladung massiver antiharmonischer Abstraktheiten verabschiedet. Hier manifes­tiert Brötzmann den Anspruch des Free Jazz, wild und Hürden niederreißend zu sein, sich aus hergebrachten Strukturen zu verabschieden und einem aggressiven, zerrissenen Klang­geschehen zu folgen. «Die Like A Dog» nutzt die Freiräume, die Improvisation und Experimentalität anbieten, auch bei den anderen drei Produktionen. Das Vierfach-Verständnis zwischen vier Musikern erscheint wie selbstverständlich, es herrscht Konsens im Ganzen.
Bei Die Like A Dog lässt sich hervorragend beobachten, wie sich ein Quartett ohne Absprachen und ohne Fahrplan zu einem dichten, von gegenseitiger Inspiration angezogenen Klangkörper entwickelt. Scheinbar weit auseinanderliegende Tonschnipsel fügen sich in Windungen und Verknotungen an einem imaginären Punkt zusammen. Und diesen Punkt hat niemand gesetzt, niemand als Ankerplatz vorgegeben. Wenn Hamid Drake seine feinen, kurz getakteten Beckenwirbel und Trommelschlägereien verfolgt, wenn William Parker die tiefen Sequenzen seines Basses dem hektischen Saxofonstrudel entgegenwirft und Toshinori Kondo mit spitzen Trompetentönen antwortet, öffnet sich sogar innerhalb der Improvisation ein musikalisches Thema. Obwohl es keine Normen gibt, hat sich «Die Like A Dog» auf eine geeinigt: Die Freiheit ist der Claim, in dem jedwede Gängelung sogleich enttarnt wird. Die Konsequenz dieser Haltung macht «Die Like A Dog» zu einem der überzeugendsten Kollektive der Free Jazz-Geschichte. Von daher ist die Vier-CD-Box unverzichtbar nicht nur für die deutsche Jazzszene.

Klaus Hübner