Schmucki, Annette

Grammophon Portrait

Verlag/Label: Musiques Suisses MGB CTS-M 122
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/01 , Seite 88

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 2
Booklet: 4
Gesamtwertung: 3

Eines muss man Annette Schmucki auf jeden Fall attestieren: Ihre Werke weisen sich durch einen unverwechselbaren Personalstil aus. Nicht nur über diesen gibt die Porträt-CD Aufschluss, sondern auch über die intensive und nicht ganz unproblematische Auseinandersetzung mit den beiden Kommunikationsarten «Musik» und «Sprache», die sich der Erkenntnis der Komponistin verdankt, dass bei der Musik die Bedeutung fehle, während sie dagegen bei der Sprache im Übermaß vorhanden sei.
Gerade deshalb zwingt Schmucki beide Elemente zusammen und versucht ihnen dadurch einen wechselseitigen Austausch von Klang- und Ausdruckswerten abzugewinnen. Die versammelten Werke, entweder dem Musiktheaterprojekt arbeiten/verlieren. die mündung entstammend oder zumindest gedanklich damit verbunden, inszenieren diese als «Spracharbeit» verstandene Annäherung im Sinn einer künstlerischen Arbeitsleistung. Und genau darin liegt Schmuckis Problem: Die kombinatorisch ausgearbeiteten Verläufe der Musik verlieren nie den Eindruck des am Reißbrett geplanten, ja, mitunter gewaltsamen Vorgehens und wirken – bildlich gesprochen – wie ein von Demonstranten hochgehaltenes Pappschild, auf dem der Grund des Widerstands noch einmal dezidiert formuliert ist. Komponieren ist anstrengende Arbeit, scheint Schmucki sagen zu wollen, und deshalb muss es das Hören auch sein. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn die Werke durch diesen Zeige- und Aufforderungscharakter nicht in eine gewisse Schieflage gerieten: weil die Komponistin nämlich mit der immer wieder neu formulierten Aufeinanderfolge or­ganisierter Klang- und Sprachfolgen der Musik nach und nach jede Sinnlichkeit austreibt.
Immerhin dient dies als Ansporn für die Interpreten: Was Eva Nievergelt im Stimmensolo fünfstimmig hüpfende (2004/05) leistet, ist beeindruckend, und im instrumentalen Gegenstück und durch. figuren. unter ruhe/ punkten für Trommel solo (2004) kann man sich dementsprechend an der verbal gestützten instrumentalen Virtuosität des Perkussionisten Christoph Brunner erfreuen. Auch die An­ordnung der vier Titel ist schlau gewählt, denn um diese beiden Auszüge aus Schmuckis Musiktheater liegen als Rahmen, dargeboten von den Neuen Vocalsolisten und dem Ensemble ascolta unter Leitung von Titus Engel, die beiden eng aufeinander bezogenen Kompositionen arbeiten/verlieren. die wörter für sieben Instrumente (2003/ 2004) und arbeiten/verlieren. die stim­men für fünf Stimmen und sieben Instrumente (2003-05). Manchmal, so etwa zu Beginn des Instrumentalstücks, kann das Ergebnis der kombinatorischen Vorgänge den Hörer durch eine suggestive Wirkung in den Bann ziehen; wenn dann allerdings wieder eine zerhackte Textrezitation einsetzt, werden die Rhythmusmuster zur Folie für eine zähe kompositorische Befreiungsrhetorik, die Schmuckis Musik ins Leere laufen lässt. Von diesem Blickwinkel aus ist die CD als Dokument ästhetischen Scheiterns zu bewerten, dem auch die Eloquenz von Michael Rebhahns Booklettext nicht mehr so recht aus der Klemme helfen kann.
Stefan Drees