The Gothenburg Combo

Guitarscapes

Minimal music for guitars; Terry Riley: In C, Gothenburg Combo: America

Verlag/Label: COMBOCD004
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/05 , Seite 77

Musikalische Wertung: 5

Technische Wertung: 4

Booklet: 4

 
Thomas Hansy und David Hansson, zwei Gitarristen mit breiter musikalischer Ausrichtung, benannten ihr Duo nach der schwedischen Großstadt Göteborg, zu deutsch: Gothenburg. Die Absolventen der Academy of Music sind sowohl in der Musik des neunzehnten Jahrhunderts (Isaac Albeniz, Giacchino Rossini) wie bei Steve Reich, Astor Piazzolla, Lennon/McCartney und George Gersh­win zu Hause. Das fünfte Album des Duos seit 2005 präsentiert die legendäre Minimal-Music-Komposition In C von Terry Riley sowie die fünfteilige Eigenkomposition America
Terry Riley komponierte In C im Jahr 1964. Dieses allgemein als das erste Minimal music-Stück geltende Werk erfuhr seit dem eine Vielzahl unterschiedlichster Ausführungen sowohl im Konzertbetrieb als auch auf Tonträgern. Der Komponist hatte keine zwingend notwendige Instrumentierung oder die Anzahl der Aufführenden vorgeschrieben, nannte jedoch in den Anmerkungen zur Komposition eine Gruppengröße von 35 als «wünschenswert» und erklärte ausdrücklich eine kleinere oder größere Besetzung als legitim. Die wirklich gewichtige Vorgabe bestand da­rin, dass jeder Spieler die 53 Melodiepatterns von derselben Stelle aus die vorgegebenen Phrasen spielt, wobei rhythmische Verschiebungen erwünscht sind. 
The Gothenburg Combo, eine der kleinsten Besetzungen innerhalb der Aufführungspraxis, beginnt In C mit einer rockbluesartigen Variante, wodurch eine außergewöhnlich tieftönende Version der Komposition entsteht. Hansy und Hansson benutzten 22 (!) verschiedene, mit Nylon- und Stahlsaiten bespannte Gitarren, was den Klangreichtum des Werks offenbart. Überlagerungen, Wiederholungen, Wechsel zwischen langsamen und schnellen Passagen und deren überlappende Rekonstruktionen überraschen immer wieder, obwohl es so scheint, dass kaum noch Interpretationsmöglichkeiten gegeben sind. 
Inspiriert von Tourneen durch die USA schrieben Thomas Hansy und David Hansson sich die fünfteilige Suite America auf den Gitarrenkorpus. Zwar minimalistisch angelegt, dominiert hier ein Soundmaterial, das an die Spielweisen der neuerdings «Ame­ricana» genannten Rootsmusic aus den USA erinnert, die einen sehr populären Charakter besitzt. Die erste Suite beschäftigt sich damit, was musikalisch im Zwischenraum von Terry Riley und Brian Wilson (Beach Boys) möglich ist: « Highway One – Music in 3 Parts», eine Hommage an Kalifornien, vermeidet Verzierungen und Ausschmückungen, konzentriert sich vielmehr auf die kalifornische Landschaft, die musikalisch eine eigene Sprache spricht. 
«Twin Cities» verbindet druckvoll die Metropolen St. Paul und Minneapolis in Minnesota als kaum zwei Minuten dauernde Hochgeschwindigkeitsnovelle, während «Nebraska» einen der wichtigsten Artikel amerikanischer Kultur, das Automobil, im «Requiem für einen Traum» denkmalmäßig aufarbeitet. Während der Dämmerung entstand im White Ri­ver National Forest das Stück «Zauberberg», eine romantische Illumination in hoheitsvoller Landschaft, zart, emotional, unvergänglich. Das abschließende «10 Seconds Left» bündelt die natürlichen Harmonien der Gitarre in einen komplexen Prozess. 
Klaus Hübner