Suk-Jun Kim

HASLA

Berliner Künstlerprogramm des DAAD (mit DVD)

Verlag/Label: Kehrer, Heidelberg 2011
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/06 , Seite 94

Es gibt Bücher, bei denen man die Betrachtung besser von hinten beginnt. HASLA ist eines davon. Schlägt man den Rückendeckel auf, stößt man auf eine DVD. Unscheinbar, fast achtlos und nur schwer zugänglich ist sie im Papierumschlag an den Rückendeckel geklebt und wirkt wie eine matte Dreingabe: Doch sie ist das Herzstück dieses kleinen Katalogs von Suk-Jun Kim zu dessen Ausstellung «A travel log: From Fwarrheu to Hejing» aus der Serie «Welcome to Hasla» 2009 in Berlin.
16 elektroakustische Arbeiten des koreanischen Künstlers, in zwölf Jahren und teilweise in Zusammenarbeit mit anderen Installationskünstlern entstanden, sowie ein zusätzlicher akustischer Gang durch die gesamte Ausstellung sind darin enthalten. Die einzelnen Arbeiten werden als Stationen einer Reise durch imaginäre Klanglandschaften dargestellt. Aneinandergereiht zu einer Art Wegekarte bilden ihre Fantasienamen die Netzstruktur eines Rhizoms. Wie «tails» sehen sie aus und so bezeichnet sie Suk-Jun Kim auch – doch die Einträge ins Logbuch seiner Reise erzählt er im Wesentlichen als «tales», Geschichten, die er den technischen und organisatorischen Da­ten und kurzen Inhaltsdarstellungen der einzelnen Stücke beigibt. Mal beschreiben sie eine Station seiner Reise, wie z. B. die fantastische Metamorphose des Reisenden in ein baumähnliches Wesen oder einen Vogel, mal erzählen sie von einem surreal anmutenden Ge­fäß der Erinnerung, von imaginierten Begegnungen auf der Reise oder während des Schreibens des Logbuchs.
Schon das Gesamtkonzept und seine Umsetzung ist eine künstlerische Arbeit für sich, gibt sie doch der Vielfalt der Einzelarbeiten einen Rahmen und präsentiert zugleich jede einzelne mit kleinen Einführungen, die dem Leser/Hörer eine Orientierung über die aus abstrakten und konkreten Klängen bestehenden ruhigen Klangwelten geben und diesen damit eine narrative Verstehensebene zuweisen. Wenn es sich um reine Audioarbeiten handelt, werden die Texte auf den Bildschirm projiziert; Arbeiten mit visuellen Teilen zeigen, wenn möglich, abwechselnd Text und Bilder der visuellen Installationsanteile als einen sich langsam fortbewegenden Film. Das macht die DVD letztlich zu einer für sich selbst stehenden und sich selbst erklärenden Einheit. Der Hörer/Leser kann darin seine eigene Reise in die Klangwelt Suk-Jun Kims antreten und neue Hörerfahrungen machen, ohne dabei verloren zu gehen.
Der gedruckte Teil des Katalogs wird dann zur Reiserinnerung, in der man die Werkeinführungen noch einmal in Ruhe nachlesen und sich am Ende in den sehr kurzen Anfangsar­tikeln von Dennis Smalley, Folkmar Hein und (den besonders lesenswerten) von Julia Schröder etwas genauer über die Arbeitsweise des Künstlers informieren kann. Die schwierige Zugangsweise zum zentralen Inhalt des Katalogs, der DVD, und ihre mangelhaft hervorgehobene Präsentation bilden zusammen hingegen das erhebliche Manko des Bandes, der um der Kunst Sun-Juk Kims willen jedoch unbedingt empfehlenswert ist.

Martha Brech