Heister, Hanns-Werner
Hintergrund Klangkunst
Ein Beitrag zur akustischen Ökologie
Hanns-Werner Heisters Versuch, die Klangkunst vor dem Hintergrund ihrer gesellschaftlichen Bedingungen zu durchleuchten, erweist sich als ebenso problematisch wie einseitig. Bereits die Bestimmung, Klangkunst lasse sich verkürzt als «besondere Ausprägung und historische Weiterentwicklung von elektroakustischer Musik» (S. 15) begreifen, macht die mit mediengeschichtlichen Kontexten wenig vertraute Perspektive des Autors deutlich. Es überrascht daher nicht, dass er die Bezeichnung «Klangkunst» eher als «Markennamen», denn als «ästhetischen Begriff» (S. 13) bewertet, ihr verallgemeinernd eine «charakteristische Tendenz zur Entpolitisierung» (S. 35) unterstellt und allen Bemühungen um eine theoretische, ästhetische und gesellschaftliche Differenzierung unterschiedlicher Erscheinungsformen von Klangkunst, die den wissenschaftlichen Diskurs prägen, eine Absage erteilt.
Diese Strategie befreit den Autor von der Mühe, die terminologischen Unschärfen seiner Ausführungen zu korrigieren, und unterstützt die damit verbundene Tendenz zur Pauschalisierung wodurch Heister im Grunde die sicherlich notwendige kritische Auseinandersetzung mit dem Thema diskreditiert. Da hilft es auch nichts, wenn er von vornherein die Kritik an seiner Darstellung zu entkräften sucht, indem er eine «aggressive Abwehr» des Buchs als Folge seines «Tabubruchs» gegenüber einer in Bezug auf Klangkunst angeblich herrschenden «political correctness» (S. 7) voraussagt.
Immerhin vermag Heister auf gewisse Probleme der Klangkunst und ihrer Einbindung in institutionalisierte Strukturen aufmerksam zu machen; doch erweist sich sein Zugriff in vielerlei Hinsicht als erstaunlich lückenhaft der für die Diskussion so bedeutsame Begriff der «ästhetischen Erfahrung» etwa spielt überhaupt keine Rolle , was zu fragwürdigen Bewertungen bestimmter künstlerischer Ausdrucksformen führt und in der Konsequenz auf ein Plädoyer für die Verarmung des Kulturschaffens im Sinn eines Verzichts auf experimentelle und intermediale Kunstformen hinausläuft. Am unangenehmsten sind hierbei die vielen abqualifizierenden Formulierungen, die Heister an die Stelle sachlicher Argumente setzt, indem er etwa einzelnen Protagonisten von Performance, Happening und Klangkunst «platten Konformismus» (S. 29) oder «dummdreiste Anmaßung» (S. 193) unterstellt.
Als Ersatz für eine angemessene Betrachtung kulturgeschichtlicher Zusammenhänge taugt dieses Vorgehen nicht; eine Antwort auf die Frage nach Kriterien zur Unterscheidung gelungener und weniger gelungener Kunstproduktionen vermag es gleichfalls nicht zu geben. Als eigentliche Ursachen der kritisierten, bisweilen im Sinn totalitären Terrors dargestellten Klangkunst-Missstände macht der Autor vielmehr simplifizierend die Bedingungen der Marktwirtschaft, die Kommerzialisierung, die Warenästhetik und den Neoliberalismus aus, in deren Sinn die Klangkunst allerhand «System-Propaganda» betreibe (S. 100).
Und so nimmt die Darstellung, sich dabei immer wieder auf das Alibi antimilitaristischer und antifaschistischer Exkurse besinnend, jene Züge an, die Heister eigentlich seinem Gegenstand unterstellt: diejenigen einer ideologischen Verblendung, die sich vehement gegen differenzierte Argumentationen sträubt.
Stefan Drees