Zschunke, Andrea

HK Gruber – Musik in Kommunikation

Verlag/Label: Lafite, Wien 2014, 192 Seiten, 38 Euro
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/04 , Seite 84
Andrea Zschunke bringt die Dinge oft auf den Punkt: «Erfolg: ja. Erfolgrezepte blind bedienen: nein.» Das schreibt die heutige Leiterin der WDR-Programmgruppe «Musik und Radiokunst» über diesen Komponisten HK Gruber, der einen eigenwilligen Weg verfolgte. Nicht Donaueschingen, Witten oder Paris standen als Stationen auf Grubers Reiseplänen. Nein, er war woanders aktiv. Seinen Frankenstein!! hob kein Geringerer als Simon Rattle mit dem Royal Liverpool Philharmonic Orchestra im Jahr 1978 aus der Taufe. Danach erklang das «Pandämonium für Chansonnier und Ensemble nach Kinderreimen von H. C. Artmann» offenbar in verschiedenen Fassungen mehr als 1500 (!) Mal; unter anderem als Ensembleversion 1980 in den USA, dann auch mal in Paris und schließlich auch im Wiener Konzerthaus, wo es ja nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zu Abfahrten von der symphonischen Autobahn kommt.
Zschunke zeichnet den Weg Grubers plausibel nach. Sensibel schildert sie biografisch Relevantes, streift des Öfteren institutionelle Fragen und bringt Grubers Musikdenken zum Ausdruck: «Ich bin aufgewachsen un­ter dem Eindruck von Strawinsky», sagt er. Danach habe er «die ihm verwandten Komponisten gesucht, also apollinische Komponisten, die halbwegs elegant mit dem tonalen Idiom umgehen können und Musik schreiben, wo du den Puls spürst». Als weitere Orientierungspunkte nennt Zschunke unter anderem Hanns Eisler, Erik Satie, partiell das Absurde eines Mauricio Kagel oder György Ligeti. 
Grubers Erfolg standen solche Einflüsse nicht unbedingt entgegen. Seine tonale, rhythmische und letztlich auch effektvolle Musik fand nicht nur Anklang bei Simon Rattle, sondern auch bei solch gefragten Virtuosen wie dem Cellisten Yo-Yo Ma oder dem schwedischen Trompeter Håkan Hardenberger. Besondere Bedeutung hatte laut Zschunke die Verbindung zu David Drew, der den bis dato bei Doblinger publizierten Gruber Ende der 1970er Jahre in den Verlag Boosey & Hawkes aufnahm. Unterstützt durch die stilistische Ausrichtung des Verlags – im Grunde eine Abwendung von einer als esoterisch empfundenen Avantgarde – und den vielen Kontakten von Drews, konnte Gruber seine Stellung etablieren und als Bühnenkomponist erweitern. 2005 kam im Opernhaus Zürich Der Herr Nordwind zur Uraufführung – von der Presse gefeiert als «subtiler Umgang» mit den «Gegebenheiten der Tradition». 
Das Lesen der gut lektorierten Biografie ist kurzweilig. Man gewinnt den Eindruck eines Komponisten, der fern von hübsch minimalistischer Anbiederei einen redlichen Weg gegangen ist. Mit ihren schnellen Wech­seln von biografischen Hintergründen, konzisen Bemerkungen zu einzelnen Werken, Zitaten und Rezeptionsaspekten bietet Zschunke ein gelungenes Komponisten-Porträt, das auch gut «in einem Rutsch» zu lesen ist. Für denjenigen, der tiefer eindringen will, stehen neben einem Werkverzeichnis Publikationsverweise von und über Gruber zur Verfügung. Alles hat die Autorin nicht sagen können – aber doch erstaunlich vieles auf nicht einmal 160 Seiten.
Torsten Möller