Steuermann, Eduard

Hommage à Steuermann

Arnold Schönberg: Complete works for piano solo / Eduard Steuermann: Suite, Arrangements for two and three pianos

Verlag/Label: Tacet 186
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/06 , Seite 86

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 3
Repertoirewert: 4
Booklet: 5
Gesamtwertung: 4

Zu den vielen Musikerpersönlichkeiten der frühen Moderne, die heute fast vollständig in Vergessenheit geraten sind, gehört auch Eduard Steuermann. Der Pianist und Komponist, der 1912 zu Schönberg nach Berlin kam, unterhielt engste Bindungen zur Zweiten Wiener Schule und war im «Verein für Musikalische Privataufführungen» so etwas wie das künstlerische «Sprachrohr» des Schönberg-Kreises, dem zahlreiche Uraufführungen zu verdanken sind.
Die dankenswerte CD-Hommage an den lange Zeit auch in der ameri­kanischen Emigration unbeachtet gebliebenen Musiker beinhaltet gleich mehrere historisch bedeutende Dokumente.
Zuvorderst ist es die erste Gesamt­­einspielung der Klavierwerke Schönbergs, die eine der raren Schallplattenaufnahmen des versierten Pianisten darstellt und von einem instruktiven Essay des Interpreten begleitet wird, welcher die originalen «Liner-Notes» wiedergibt. Leider war das Originalband der 1957 für Columbia eingespielten Aufnahme nicht mehr greifbar, sodass mit neuester Übertragungssoftware von einer restaurierten Original-LP abgenommen wurde. Die akustischen Ergebnisse (reichlich Nebengeräusche) sind jedoch leicht grenzwertig ausgefallen und stellen kein Vergleich dar zu Resultaten ähnlicher Verfahren, wie sie beispielsweise bei der Bearbeitung historischen Materials im Rahmen der Earl Brown-Edition (Wer­go) überraschten.
Dennoch darf die Wiederver­öffentlichung dieser Einspielung als Glücksfall betrachtet werden, präsentiert sie Schönbergs Musik doch aus allererster Hand. Ein umso bedeutenderer Umstand, da Schönbergs Klaviermusik als Experimentierfeld und Versuchslabor wichtiger ästhetischer Wendemarken gilt, die neue Verfahren quasi in nuce erprobte. Steuermanns Interpretationen atmen (auch wenn manche Passagen unerwartet zügig ausfallen) eine große Gelassenheit und eine von jeder vordergründigen Expression entschlackte Klarheit, wie sie später vielleicht nur noch bei Maurizio Pollini zu finden war. Die ganz besondere Intensität und Komprimiertheit der Schönberg’schen Klaviermusik könn­te kaum zwingender zum Ausdruck kommen als hier, und auch die technische Virtuosität Steuermanns blitzt ganz unprätentiös immer wieder auf, spätestens in der Suite op. 25 und ihren flüchtigen Akzentuierungen: «Rasch, aber leicht» – die Vortragsanweisung für das vierte der Sechs kleinen Klavierstücke op. 19 könnte als Motto für Steuermanns Spiel insgesamt gelten.
Auch Steuermanns eigenes Werk stand ganz im Zeichen der Schönberg-Schule. Seine fünfteilige Suite von 1951 integriert viele flüchtige Anspielungen an die Romantik ebenso wie an Schön­bergs exzeptionelles Klavierwerk und bleibt dabei immer musikalisch tiefschürfend und ästhetisch integer.
Die im Exil entstandenen Bearbeitungen von Stücken von Francis Poulenc, Franz Schubert und Johann Strauß junior für zwei oder sogar drei Klaviere zeigen jedoch ein anderes Gesicht. Manchmal ein wenig überladen (Schubert) scheinen sie doch eher kommerziellen Erwägungen in schwe­ren Zeit entsprungen zu sein als künst­lerischer Notwendigkeit.

Dirk Wieschollek