Henze, Hans Werner

Hommages

Verlag/Label: Wergo WER 67272
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/05 , Seite 86

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 3
Booklet: 5
Gesamtwertung: 4

Der Einfall, den Komponisten Hans Werner Henze anhand einer Auswahl von dessen Hommage-Kompositionen an langjährige Freunde und Bekannte zu porträtieren, ist ungewöhnlich: dominieren doch, wie Ulrich Mosch in seinem kenntnisreichen Booklet-Text darlegt, in Henzes Schaffen «bei weitem die großen, repräsentativen musikalischen Gattungen mit ihrer reich differenzierten, instrumentalen Farbpalette», während die Kammermusik eher einen «Nebenschauplatz» darstellt, der für den Komponisten trotz einiger bedeutsamer Ausnahmen «nie ganz im Zentrum der Aufmerksamkeit» stand.
Insgesamt zwölf Werke aus den Jahren 1977 bis 1998, mit Ausnahme der dreisätzigen Sonate für sechs Spieler (1983/84) und dem Trio in drei Sätzen für Streicher (1998) fast durchweg knapp gefasste Miniaturen, hat das Ensemble Recherche für das Projekt ausgewählt. Dass die meisten dieser Kompositionen sich als unveröffentlichte Manuskripte in der Henze-Sammlung der Paul-Sacher-Stiftung Basel befinden, sagt viel über ihren Gelegenheitscharakter aus, denn es handelt sich – und hier sei als Gegenbeispiel auf György Kurtág verwiesen, für den die Hommage-Komposition zur Essenz seines Komponierens gehört – um eher marginale Produkte des Komponisten. Genau darin liegt aber auch ein Problem der CD: Die Musik, so sehr sie auch als Dokument einer privaten Seite von Henzes Schaffen ein Licht auf dessen übrige Arbeit werfen mag, erscheint in ihrer aphoristischen Kürze gelegentlich rich­tungs­los und unverbindlich. Dem wirkt das Ensemble immerhin durch eine überlegte Anordnung der Werke entgegen: Alternierend zu den übrigen Kompositionen erklingen Stücke für Klavier, so dass dem Tasteninstrument, das auch in der Sonate und im Klaviertriosatz Adagio adagio (1992/ 93) eine zentrale Rolle spielt, die Funk­tion eines roten Fadens zukommt, einzig unterbrochen durch drei Miniaturen für solistische Streichinstrumente sowie durch die größer besetzten Werke.
So konzentriert Henzes Hommage-Miniaturen auch von den jeweiligen Solisten gezeichnet werden, so bilden doch die beiden kompositorisch anspruchsvolleren mehrsätzigen Werke und die damit verbundenen Ensembleleistungen den Kristallisationspunkt der CD. Hier überrascht vor allem die Sonate, basierend auf Henzes Musik zu Alain Resnais’ Film L’amour à mort , in der sich die Musiker perfekt an die Erfordernisse unterschiedlicher musikalischer Idiome anzupassen wissen, ohne dabei bestimmte Elemente wie das Henze’sche Expressivo zu übertreiben; im Gegenteil: Sehr überzeugend umgehen sie etwa im langsamen Mittelsatz die klang­liche Direktheit zugunsten eines eher verhaltenen, dafür um so intensiver wirkenden Tonfalls. In einigen Passagen des Trios fällt demgegenüber eine gewisse Unkonzentriertheit auf, die sich – und dies gilt darüber hinaus auch für Adagio adagio – im Fehlen klanglicher Geschlossenheit äußert: ein Problem, mit dem gerade die Streichergruppe des Ensemble Recherche seit ihrer Umbesetzung im Jahr 2005 immer wieder zu kämpfen hat.

Stefan Drees