Fujikura, Dai

Ice

Verlag/Label: Kairos 0013302KAI
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/03 , Seite 87

Musikalische Wertung: 2
Technische Wertung: 3
Booklet: 1

Man muss schon höchste Imagina­tionskraft aufbieten, um sich die Bilder vorzustellen. Von einem «Klang von Goldstaub an der Innenseite meiner Hand» spricht der 1977 im japanischen Osaka geborene Komponist Dai Fujikura und davon, dass er ihn sanft anbläst, «während der Klang von aufeinander treffenden Eisplatten erklingt». Diese Worte sind gemünzt auf Fujikuras ice, ein Ensemblestück, das sich im Fahrwasser der Musique spectrale bewegt. Akkorde der oft solistisch eingesetzten Gitarre werden im Ensemble aufgenommen, pflanzen sich fort, fristen mal ein Eigenleben in Form rhythmischer, fast tänzerischer Passagen oder verdichten sich zu schwer entwirrbaren Klangknäueln.
Die Gitarre steht im Zentrum der CD, die mitfinanziert wurde durch die Augustine Foundation, eine Stiftung, die sich unter anderem der Erweiterung des Gitarrenrepertoires verschrieben hat. Dai Fujikura gelingt durchaus Feines mit der akustischen wie mit der elektrischen Gitarre. Das erste Stück, Sparks für Solo-Gitarre (2011), überzeugt in seiner flageolettlastigen Prägnanz und im nicht so leichten Umgang mit spezifischen Gitarrenfragen. Fujikura erfindet das Rad in Sparks nicht neu – davon zeugen so manch tonale Passagen sowie grundsätzliche Tendenzen zur Mäßigung, zum Ausgleich. Wenn Fujikura sich auch von seiner japanischen Herkunft immer wieder zu emanzipieren versucht, so wecken seine Stücke doch Erinnerungen an seinen Landsmann Toru Takemitsu. Das muss nicht schlecht sein – wenn es nur nicht so lange dauern würde!
Das in Zusammenarbeit mit dem Experimentalstudio des SWR entstandene Sparking Orbit für elektrische Gitarre und Live-Elektronik (2013) wiederholt die Flageolett-Vorliebe und so manches andere, dem man bereits in den vorangegangenen Ensemblestücken Phantom Splinter (2009) oder Abandoned Time (2004–06) begegnete. Dazu gehört eine unangenehme Vorliebe fürs Hallig-Sphärische, das im Falle von Sparking Orbit abdriftet in recht gängige (aber deshalb nicht weniger kitschige) Weltall-Assoziationen.
Die merkwürdige Auffassung von Klangdesign ist ein Problem sowohl des Komponierens als auch der Produktion. Vieles ist klanglich viel zu aufgebauscht auf Kosten der Durchhörbarkeit.
Mehr Sensibilität hätte auch dem Booklet gut getan. Die Texte von Daniel Lippel, Gitarrist des beteiligten International Contemporary Ensemble, strotzen nur so von Fehlern inklusive vielfach missachteter Interpunktion. CDs haben es heute zunehmend schwer. Da wäre zumindest ein akkurateres Lektorat doch angebracht.

Torsten Möller