Christoph Wagner

Im Geisterreich

Der Joik-Sänger Ande Somby und die schamanistische Praxis der Saami

erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2016/05 , Seite 54
Archaische Laute machen den Gesang von Ande Somby aus, wenn er das traditionelle Stück «Wolf» intoniert: Er knurrt, jault und winzelt. Die schamanistischen Praktiken des traditionellen Joik-Gesangs scheinen Lichtjahre von der Rationalität entfernt, die in Sombys Hauptberuf als Rechtsprofessor gefordert ist. Für ihn stellt das keinen Widerspruch dar – im Gegenteil. Somby lehrt an der juristischen Fakultät der Universität von Tromsö in Norwegen und gilt als Experte für die Rechte von Lapplands halbnomadi- schen Ureinwohnern, den Saami. Und das wohl elementarste Recht ist das auf die eigene Tradition, welches den Saami lange Zeit von staatlichen und kirchlichen Instanzen verweigert worden war. Neben knapp 50 000 Saami in Schweden, Finnland und Russland leben nochmals so viele in den drei norwegischen Provinzen Nordland, Troms und Finnmark, und etliche von ihnen leben von der Rentierzucht. 250 000 Tiere sorgen für ihr Auskommen, das sich aus dem Verkauf von Rentierfleisch und Fellen ergibt. Schon vor Jahrtausenden gejagt und seit Jahrhunderten domestiziert, ist das Rentier ein elementarer Teil der Kultur und des Lebens der Saami. Mit Andre Somby sprach Christoph Wagner.