Uli Aumüller / Sebastian Rausch
Im Wald | Under the Trees
8 Studien über animierte Stillleben und Musik. Konzertinstallation
Uli Aumüllers und Sebastian Rauschs als Surround-Installationen konzipierte Studien werfen den Betrachter zunächst einmal auf die grundsätzliche Frage zurück: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Film und Fotografie? Der Film arbeitet mit dem Moment der voranschreitenden, sich entwickelnden Zeit, er «geht mit der Zeit», zumeist in ihrem eigenen Tempo. Die Fotografie hingegen friert Momente ein, sie hält Momente fest, holt sie aus der voranschreitenden Zeit heraus und präsentiert sie als statische Bilder.
Die acht Studien Im Wald versuchen nun beides zu verbinden: die Statik der Fotografie mit der Bewegtheit des Films. Zu diesem Zweck wurden in einem aufwändigen Prozess Fotos zu Panoramalandschaften zusammengefügt, die nun in diesen acht Studien filmisch und verschiedene Details fokussierend durchwandert werden. Die Aufnahmen entstanden in allen Jahreszeiten in einer der zahlreichen, Wald und Wasser verbindenden Landschaften nördlich von Berlin. Die einzelnen Studien präsentieren jeweils einen bestimmten eingefrorenen Moment zu einer bestimmten Jahreszeit an bestimmtem Ort in der «unberührten» Natur.
Zur musikalischen Begleitung der «Stillleben» wurden sowohl Kompositionen von Zeitgenossen, namentlich Ludger Kisters (Klangkomposition Der Atem des Waldes), Gilles Gobeil (Entre les deux rives du printemps) und Enno Poppe (Wald für vier Streichquartette), verwendet als auch der dritte Satz («nearly stationary») aus John Cages String Quartet in Four Parts. Für zwei Studien wurden Barockwerke von Georg Philipp Telemann (Die Relinge) bzw. Jean-Féry Rebel (Les Élements) ausgewählt. Damit wären wir an einem der Knackpunkte von Aumüllers «Installation»: Die filmische Konzeption hat in der musikalischen Konzeption keine Entsprechung. Zwar gibt es durchaus Momente, in denen Bild und Ton beeindruckend ineinandergreifen oder sich effektvoll abstoßen. Insgesamt aber geht das Konzept, den aufwändig erarbeiteten Bildern und Bilderfolgen bereits vorgefundene Musiken aufzustülpen, nicht auf.
Die Bildersprache der Studien ist «Nature morte», nicht «Stillleben». Die von der Linse abgetasteten reglosen und damit auch leblosen Bilder von Blättern, Ästen, Bäumen, Wasser und Luftblasen sind aufgrund des Fehlens jeder organischen Bewegung in der Zeit von bedrohlicher Morbidität. Eine musikalische Entsprechung findet diese schier gruselige Statik noch am ehesten in Kisters, Gobeils und Poppes Werken, die ebenfalls mit statischen Elementen arbeiten. Cages organische, zeitorientierte Klänge scheinen mir dafür ungeeignet (die Betonung bei Cages «nearly stationary» betiteltem Satz liegt eindeutig auf «nearly»!) ebenso wie die gewählten barocken Werke mit ihrem Primat des Bewegt-Melodischen.
So steht man am Ende etwas ratlos da hinsichtlich der ästhetischen Botschaft des Ganzen. Um die von Aumüller selbst im Booklet angesprochene und angestrebte «Überführbarkeit des Figurativen ins Abstrakte» zu erreichen, die «bei ähnlichen Gestaltungsprinzipien der akustischen und visuellen Ebene eine enge Verflechtung zwischen Bild und Ton herbeiführen könnte», hätte er die von ihm gewählten Dimensionen der Mikro- bzw. Makroskopie vervielfachen bzw. verschärfen müssen.
Thomas M. Maier