Xenakis, Iannis

IX Kuniko

Pléïades / Rebonds

Verlag/Label: Linn Records, CKD 495
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/05 , Seite 77

Musikalische Wertung: 5

Technische Wertung: 5

Booklet: 5

 
Hektisch wirbeln zu Beginn des ersten Stücks die Soundflächen umeinander, als wolle jede von ihnen der Vorreiter zu einem großen Werk sein. Vertraute Klänge und entnaturalisierte Soundpassagen schaffen Vibrationen und gigantische Tonfolgen von nahezu göttlicher Größe. Der dem Universalismus zugeneigte Komponist und Architekt Iannis Xenakis (1922–2001) hat in seinem umfangreichen Werk immer wieder und im­mer wieder überraschend radikal und revolutionär sich dem Schlagwerk zugewandt. Die oft zu eigenartige Klangmassen aufgetürmten flächigen und dreidimensional erscheinenden Kompositionen speisten ihre Einzigartigkeit aus mathematischen und akustischen Gesetzmäßigkeiten. 
Die japanische Perkussionistin Kuniko Kato hat zwei Stücke von Xenakis mit insgesamt sechs Teilstücken allein in einer Mammutsession für das schottische Label Linn Records aufgenommen. Zunächst widmete sie sich dem 1978 entstandenen Pléïades, das in vier Sequenzen – ursprünglich für ein Tanzprojekt komponiert – eine strenge raumakustische Aufteilung der Instrumente fordert. Die Plejaden oder «sieben Schwestern« sind ein mit bloßem Auge erkennbarer offener Sternenhaufen. Xenakis hat sechs Perkussionsinstrumente vorgeschrieben, die bei der nun vorliegenden Aufnahme ausnahmslos von Kuniko gespielt werden. Das primäre Element des Stücks ist der Rhythmus, der in Perioden und seriell die Zeit abschreitet wie ein Staatsgast die Ehrenformation: streng getaktet, ohne Chance für Auswüchse, klar gegliedert. 
Im ersten Teil der Suite, «Mélanges», benutzt Kuniko eine Mixtur verschiedener Schlagwerke; erläutert 
sozusagen die verschiedenen Möglichkeiten, dem Geheimnis der Plejaden mittels diverser Klangtechniken auf den Grund zu gehen. In «Métaux» spielt Kuniko auf Metall: Das Instrument SIXXEN (SIX steht für sechs Perkussionisten, XEN für Xenakis) besteht aus Vierkantstangen und wird mit einem Metallhammer gespielt. Es beginnt mit einem Einzelton und erhält step by step immer mehr Klang und polyrhythmische Verbindungen. Die «Sequenz Claviers» deuten schon im Titel an, welche Instrumente zum Einsatz kommen. Kuniko bedient Marimba, Vibrafon, Xylofon und Xyolo-Marimba. Der an fernöstliche Klänge erinnernde Sound plätschert und rieselt, gluckert und prasselt durch die Weiten des Universums. «Peaux» schließlich ist eine Passage für Trommeln und schildert in einer melodiereichen Interpretation präzise Xenakis’ Ideen (s)einer Schlagwerkwelt. Es endet mit dem «Big Bang», in dessen Folge angeblich das Universum entstand.
Das zweite Werk auf dem Tonträger ist das 1988 von Iannis Xenakis komponierte Rebonds, das Kuniko zum zweiten Mal aufgenommen hat. Sie spielte Rebonds schon am Anfang ihrer Karriere, als sie durch Europa tourte und in Konzerten, Meisterklassen und auf Festivals ihre Kunst zeigte. Rebonds besteht aus zwei Teilen, im ersten sind ausschließlich Trommeln im Einsatz: zwei Bongos, drei Tom-Toms und zwei Bassdrums, während im zweiten Bongos, Tumba, Tom-Tom, Bassdrum und fünf Holzblöcke das populäre Stück illustrieren.
Klaus Hübner