Streichquartette von Rodericus, Elliott Carter, Ruth Crawford Seeger und Georg Friedrich Haas

Jack Quartet – First Performance, Vol. IV

Verlag/Label: Bonitz / harmonia mundi BMN 20145
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/03 , Seite 76

Musikalische Wertung: 3
Technische Wertung: 5
Booklet: 2


Es zeugt schon mal von enormen Selbstbewusstsein, solch ein Programm live einzuspielen. Mit Elliott Carters Streichquartett Nr. 3, Ruth Crawford Seegers String Quartet und Georg Friedrich Haas’ Streichquartett Nr. 8 schufen sich die Herren des JACK Quartet gewiss keine leichte Arbeitsgrundlage. Jedes der Stücke fordert einiges und Eigenes: da wären die stringente Dauerkomplexität Car­ters, die aparte Sprödigkeit Crawford See­­gers und die intonatorischen Gratwanderungen Haas’­scher Prägung.
Erstaunlich, wie die Herren Ari Streisfeld (Violine), Christopher Otto (Violine), John Pickford Richards (Viola) und Kevin McFarland (Cello) das rund einstündige Programm nicht nur absolvieren. An keiner Stelle verlieren sie die Kontrolle. Die Präsenz und Direktheit, mit der sie offensiv agieren, erinnert tatsächlich an ihre einstigen Mentoren vom Arditti String Quartet, als deren Thronfolger die «JACKs» offenbar gehandelt werden. Solche hochvirtuose Bändigung hat aber auch Kehrseiten. Sie mag passen zu Carters verkrampftem Verdichtungswollen, das schlicht an des Hörers Nerven zerrt. Im Fall von Haas’ wunderbarem Achten Streichquartett hätten mehr Ton und mehr Flexibilität allerdings nicht geschadet. Das rauschhaft Dionysische dieser vitalen Klangwelten kommt nicht so recht heraus. Die JACKs tauchen nicht ein, sie bleiben an der Oberfläche, scheinen zu sehr am Notentext zu kleben.
Schade ist das deshalb, weil die JACKs es auch anders können. In Crawford Seegers die Zwölftontechnik Schönbergs widerspiegelndem String Quartet gibt es Passagen mit wundervolle Klangformungen, teils irreal-fahlen Welten, deren Ursprünge nicht im Streichquartett zu liegen scheinen. Ähnliches gilt für die einleitenden Takte aus dem Angelorum psalat tripudium des Vertreters der Ars Subtilior, des Meisters Rodericus. Wenn auch die Bearbeitung der Motette durch Christopher Otto vor allem wegen unnötig vieler Pizzikati etwas überkandidelt-manieristische Züge hat, so zeigen die JACKs doch eine Variabilität, die in anderen Stücken zuweilen fehlt.
So erstaunlich die Virtuosität der JACKs ist, so erstaunlich gelungen ist die Live-Aufnahme. Manches Husten mag den Puristen stören. Aber im Baseler Hans-Huber-Saal atmet die Musik, hat nichts von einem sterilen Studiosound. Für diejenigen, die das Konzert sehen wollen, ist neben der herkömmlichen CD eine Blu-Ray-Disc dabei mit einer zwanzigminütigen Einführung von Elmar Budde zu Haas’ Streichquartett. Auf dieser ist auch Platz für eine audiophile Fassung der Einspielung in Form einer 96000-Hertz-Fassung mit 24 Bit. Wer den qualitativen Unterschied zur CD mit ihren 44000 Herz und 16 Bit hört, der hat spitze Ohren und vermutlich hochpreisige Lautsprecher oder Kopfhörer.
Torsten Möller