Sackl, Susanne / Sharif, Malik (Hg.)

Jenseits von Hören und Sehen

Zur Ästhetik audiovisueller Medien

Verlag/Label: epOs Music, Osnabrück 2013, 150 Seiten
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2014/04 , Seite 93

Es macht Sinn, dass den Beiträgen dieses Bandes ein Interview Matthias Hornschuhs mit Tom Tykwer an­lässlich der Uraufführung von dessen Film Lola rennt (1998) vorangestellt ist – hat der Regisseur doch in geradezu idealtypischer Weise eine enge Verschränkung von Bild, Ton und Schnittrhythmus vorgenommen, für die er auch eine entsprechende Wahrnehmungsform einfordert.
13 Jahre später hat sich unter dem Motto «See the sound!» ein Symposium des Dachverbands der Studierenden der Musikwissenschaft im Rahmen der SoundTrack_Cologne 8.0 unter aktuellem Blickwinkel mit diesem Problemkreis befasst und die Wahrnehmung audiovisueller Medieninhalte von Filmen, Videoclips und Computerspielen in den Mittelpunkt gestellt. Als roter Faden sämtlicher publizierter Beiträge dient die Auffassung, dass die Rezeption entsprechender Kunst immer «Jenseits von Hören und Sehen» stattfindet, dass es also um ein «interdependen­te[s] Verhältnis von Klängen […] und bewegten Bildern in der Wahrnehmung» sowie um «die soziale Signifikanz der daraus resultierenden Verbindungen» (S. 7) geht – um einen in gleichem Maße intermodalen wie transmedialen Prozess, der eine Reduzierung wissenschaftlicher Fragestellungen auf lediglich eines der beteiligten Medien von vornherein ausschließt.
Die im ersten Teil des Buchs versammelten Beiträge erläutern dies, oftmals ausgehend von einer kritischen Bestandsaufnahme bisheriger Forschungen, an unterschiedlichen Beispielen. Dies macht den Band – auch aufgrund der ausführlichen Bibliografien – zu einem guten Ausgangspunkt zum Einstieg in die angeschnittenen Problemfelder, selbst wenn sich manche Autorinnen und Autoren im Detail etwas schwer da­mit tun, mit ihren Ausführungen über einen eher zusammenfassenden Referatscharakter hinaus zu gelangen.
Zu den prägnantesten Texten gehören Thomas Neuholds durch empirische Studien gestützter Blick auf die Frage nach visuellen Aspekten musikalischer Kommunikation in der Aufführungssituation sowie Ekkehard Knopkes Reflexion zur Lokalisierung des Klangs von Musical-Songs in der filmischen Erzählwelt, die sich als Versuch einer Durchbrechung etablierter Begriffe zur Klangverortung im Film erweist.
Weitere Aufsätze widmen sich beispielsweise der werbenden Funktion von Videoclips im Dienst von Tierrechten (Malik Sharif über das Video zu Convicted in Life von Sepultura), der Frage nach der Vermittlung von Geschlechterbildern in Musikvideos (Susanne Sackl in einer Auseinandersetzung mit Methoden wissenschaftlicher Analyse) oder den narrativen Konzepten und ästhetischen Wirkungen von Musik im Computerspiel (Yvonne Stingel-Voigt). Dass gerade der zuletzt genannte Beitrag kaum mit aktuellen Forschungen mithalten kann, macht darauf aufmerksam, welch starkem Wandel die hier thematisierten Gebiete derzeit unterworfen sind. An den Themenkreis Computerspiel knüpfen schließlich auch die vier Beiträge des zweiten Teils an, bei denen es sich um kurze Reportagen zu einzelnen Veranstaltungen der SoundTrack_Cologne 8.0 von eher dokumentarischem Wert handelt.

Stefan Drees