Bruno Heinen Sextet

Karlheinz Stockhausen · Tierkreis

Verlag/Label: Babel Label BDV 13119
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2013/06 , Seite 87

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Booklet: 4

Im Haus des Cellisten Ulrich Heinen (City of Birmingham Symphony Orchestra) und seiner Frau, der Violinistin Jacqueline Ross, die in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit dem deutschen Komponisten Karl­­heinz Stockhausen zusammenarbeiteten, standen vier der für die Komposition Tierkreis verwendeten zwölf Spieluhren. Schon damals kam auch Heinens Sohn Bruno mit der Musik von Stockhausen in Berührung, denn Ulrich Heinen erwarb vier dieser Spieluhren, die im Haushalt präsent waren. Eine fünfte – passend zum Anlass: die «Aquarius»-Box – bekam Bruno Heinen zu seinem Geburtstag im Dezember, und er brachte sie im darauf folgenden Januar zu den Aufnahmen des Zyklus mit ins Studio. Das Ergebnis: eine überarbeitete, mit Spuren von Funk, Blue Notes und Westcoast-Jazz-Aroma infiltrierte Version, die phasenweise die Spieluhren nicht nur simuliert, sondern auch benutzt.
Bruno Heinens Versuch, eine eigene Interpretation des von Stockhausen erdachten Klangmaterials zu gestalten, führte im Jahr 2008 dazu, die zwölf Sternzeichenmelodien für ein Jazz­sex­tett zu arrangieren. Ganz im Sinne von Stockhausen, der sehr sparsam mit spieltechnischen Vorgaben umgegangen war, formulierte Bruno Heinen eine emotional tiefgreifende, fast an geheimnisvolle Riten und abstrahierte Klangbilder erinnernde Variation mit den typischen Jazzinstrumenten Tenorsaxofon, Trompete, Bassklarinette, Kontrabass und Schlagzeug.
In Tierkreis verwendet Stockhausen zwölf auf Tonreihen basierende Melodien, eine für jedes Sternzeichen. Bruno Heinens Versionen scheinen das Material zu strecken und über die «Masse» der von Stockhausen errichteten Klänge hinauszuschreiten. Vermutlich wäre das beim Urheber nicht auf Entsetzen gestoßen, denn Stockhausen war ein Freund der Improvisation, der durch seine Arbeit viele Jazzmusiker (Miles Davis, Cecil Taylor, Herbie Hancock) inspirierte. Die mit Stockhausens Sohn Markus «Segen» versehenen Sextettaufnahmen nutzen Swing in Taurus (Stier), Freejazz in Virgo (Jungfrau) und balladesken Downtempo-Sound in Ge­mini (Zwillinge). Das vom Bassisten Andrea Di Biase zentral und solistisch gestaltete Sagittarius-Thema (Schütze) reflektiert den freien Umgang Stockhausens mit dem Tonmaterial und der Bearbeitung durch Bruno Heinen, wäh­rend Trompete und Bassklarinette in Capricorn fanfarenähnliche, dem Klangbild des Komponisten sehr nahe stehende Figurationen nutzen. Am Ende schließt sich – bei Heinen – der «Zodiac»: Das Ein­gangsmotiv aus Aries wiederholt sich in einer vorsichtig hinzugefügten Variante.

Klaus Hübner