Grohmann, Katerina

Karlheinz Stockhausen. Oper MITTWOCH aus LICHT

(= Kölner Beiträge zur Musik­wissenschaft, Band 12)

Verlag/Label: Gustav Bosse, Kassel 2010
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/06 , Seite 92

Innerhalb des monumentalen Opernzyklus LICHT (1977-2003), mit dem Karlheinz Stockhausen nicht weniger als «einen neuen Inhalt und Gehalt der Musik» realisieren wollte, nimmt MITTWOCH (1995-97) eine Sonderstellung ein. Die Konflikte zwischen den Figuren Eva, Michael und Luzifer kommen nach dem Handlungskonzept des Komponisten zur Ruhe und weichen einer Friedsamkeit, die die «mystische Vereinigung» von Eva und Michael im abschließenden SONNTAG (1998-2003) bereits vorwegnimmt.
Auf Ausgleich ist auch Katerina Grohmann in ihrer Kölner Dissertation (2008) bedacht, und zwar auf jenen zwischen den musiktheatralischen Dimensionen des Werks: Die Autorin versucht den musikalischen und szenischen Aspekt des (bis heute nicht in seiner Gesamtheit uraufgeführten) MITTWOCH als gleichrangig zu behandeln, indem sie sich auf eine Aussage Stockhausens beruft: «Ob eine Idee von einer szenischen Vorstellung ausgeht und sich dann in Tonkonstruktion niederschlägt, oder umgekehrt, ist nur eine Verfahrensfrage, ist nur eine methodische Frage.»
Wie um den üblichen Vorrang des Klingenden zu kompensieren, nimmt Grohmann den Ausgangspunkt ihrer Überlegungen im Szenischen und stellt Stockhausens Begriff der «szenischen Musik» mit Unterkapiteln zu «Visualisierung», «Verräumlichung» und «Ritualisierung» in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung. Auch sonst bleibt die Studie eng an die Äußerungen des Komponisten angelehnt, vor allem auch dort, wo die vier Ein­zelszenen «WELT-PARLAMENT», «ORCHESTER-FINALISTEN», «HELIKOPTER-STREICHQUARTETT» und «MICHAELION» beschrieben werden. So entwickelt sie etwa die Deutung der Figuren aus der Stellung des «MITTWOCH-Glieds» innerhalb jener «Superformel», die der gesamten Musiktheater-Heptalogie zu Grunde liegt – und lehnt ihre Interpretation somit doch wieder an jene «schwarzen Noten auf weißem Papier» an, die sie an anderer Stelle mit den Worten Stockhausens kritisiert.
Daneben stellt Grohmann den Kontext der Opernteile mit anderen Werken in Stockhausens Œuvre her, beleuchtet in Ansätzen den Zusammenhang mit gattungsgeschichtlichen Entwicklungen, spricht aber auch die Intentionen des Komponisten hin­sicht­lich einer «neuen Funktionalität der Orchestermusiker» oder der Rolle des Dirigenten an. Besonderes Interesse dürfen jene Teile der Arbeit beanspruchen, in denen Stockhausens Proben zu den Uraufführungen der einzelnen Szenen aus MITTWOCH beschrieben werden sowie jene, in denen sich die Autorin Gedanken zu einer künftigen szenischen bzw. filmischen Realisation des Werks macht.

Daniel Ender