Klang in Aktion – Josef Anton Riedl

hg. vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München und der ConBrio Verlagsgesellschaft

Verlag/Label: ConBrio, Regensburg 2012 | 204 Seiten, mit CD
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2013/03 , Seite 91

Josef Anton Riedl macht es niemandem leicht, am allerwenigsten sich selbst. Und so türmen sich die Schwierigkeiten augenblicklich bei dem Versuch, die Arbeit Riedls, geboren 1929 in München, in gängige Begrifflichkeiten zu fassen. Theoretische Schriften von Riedl gibt es nicht. Das passt nicht zu seiner Haltung, die, so wird er nicht müde zu betonen, geprägt ist von dem Wunsch, bei der künstlerischen Arbeit selbst überrascht zu werden. Die Überraschung wiederum muss nach Riedls Intention stets auf höchstem künstlerisch-handwerklichen Niveau stattfinden. Daher wendet er eine enorme Energie auf die Er-Findung von Neuem an, studiert unablässig das Verhalten von Materialien für seine Klang-Aktionen, forderte in Proben stets mehr als hundert Prozent, blickte immer über den Zaun der Klangwelt hinüber zu Malerei, Literatur und Film, hat sich darüber hinaus und nicht zuletzt als Kunst-Ermöglicher, als Förderer jüngerer Komponistenkollegen und Interpreten in die jüngere Musikgeschichte eingeschrieben. Insbesondere Münchens Mu­sikleben sollte von Riedls unerhörtem Schaffensfuror profitieren. So ist die vorliegende Publikation zuerst einmal als eine wohlgestaltete Dankadresse an Josef Anton Riedl zu begreifen. Titelgebend ist deshalb auch eine Reihe, die Riedl kuratierte und selbst bestückte: «Klang-Aktionen».
Vor allem aber versammelt diese Publikation, dramaturgisch wohldurchdacht, Texte von künstlerischen und journalistischen Weggefährten Riedls. Die Ouvertüre, wenn man so will, bestreitet der Musiker, Komponist und Filmmusikproduzent Zoro Babel. Die Überschrift ist so knarzig wie energiegeladen, gibt schon in ihrer Verdichtung erste Hinweise auf den, der da beschrieben wird: «Erster Kontakt: Hallo!!». Dieses «Hallo!!», Initiale des ersten Telefongesprächs von Zoro Babel mit Riedl im Jahr 1990, ist auch die Initiale für eine Reihe von Geschichten über Proben von Riedl-Stücken, in denen Materialien und Menschen im Umgang mit Materialien von Riedls aufs Ideale fixiertem Klangsinn an die Ränder und darüber hinaus getrieben werden, von Riedl, auch wenn es schon gekracht hat, mit der auffordernden Bitte konfrontiert: «KANN ICH DAS NOCHMAL HÖREN?»
Am Ende zählt für Riedl nur eines: das Hören. Wohin ihn das treibt, beschreibt Dieter Schnebels Laudatio «Ab­seits gängiger Gattungen», dröseln Helmut Rohm und der Musiker-Autor Michael Lentz schonungslos ehrlich und respektvoll auf gegenüber dem auf Reinheit der Kompositionsmaterialien eingefuchsten Riedl. Filmemacher Edgar Reitz beschreibt seine Arbeit mit Riedl. Eckart Rohlfs macht in einem langen Essay die Arbeit Riedls für Jeunesses Musicales plastisch. Armin Köhler fasst in «Vielleicht ist es so, vielleicht ist es aber auch nicht so» vorsichtig systematisierend Riedls Verdienste als «Doyen europäischer Veranstaltungskuratoren» zusammen. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Ergänzt werden die Beiträge jeweils durch Kurzbiografien ihrer Autoren, durch repräsentativ ausgewähltes Fotomaterial und eine DVD – Josef Anton Riedl, befragt von Eckart Rohlfs und Wolf Loeckle. Für Riedl-Kenner ist diese Ausgabe ein schönes Dokument, für alle anderen ein präzise einführendes erstes Handbuch.

Annette Eckerle