Kiefer, Peter (Hg.)

Klangräume der Kunst

mit DVD

Verlag/Label: Kehrer, Heidelberg 2010
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/04 , Seite 101

«Gut Ding will Weile haben», möchte man das Kompendium überschreiben, das mit mehrjähriger Verspätung nun erschienen ist. Klangräume der Kunst dokumentiert das dreiteilige Projekt per-›SON IV der Kölner Kunsthochschule für Medien (KHM) aus den Jahren 2003/2004: Teil 1 war eine vorbereitende ExpertInnenrunde, Teil 2 das dreiwöchige Ausstellungsprojekt Klangraum-Raumklang im Sommer 2004, Teil 3 das abschließende Symposium «KlangVisionen – der zukünftige Klang der Klangkunst».
Ein opulentes Nachschlagewerk zum Thema «Klangkunst» hält man da in Händen, das zum einen die Vorträge des Symposiums sowie die Werke der Ausstellung (auch mittels DVD!) zugänglich macht, und daneben die Geschichte der Klangkunst umfassend zu diskutieren und zu beleuchten sucht.
Herausgeber und Mitinitiator Peter Kiefer liefert in seinem theoretischen Beitrag einen historischen Abriss und führt zu chinesischen Taubenflöten und dem Klangmathema­tiker Athanasius Kircher, um abschließend eine Katalogisierung vorzunehmen, die die Ortsgebundenheit bzw. Ortsungebundenheit der jeweiligen Objekte und Installationen zum entscheidenden Kriterium macht. Volker Straebel hingegen thematisiert den «Begriff der Klangkunst als wissenschaftsgeschichtliches Konstrukt». Weitere Beiträge gibt es von Helga de la Motte-Haber, Michael Harenberg, Wulf Herzogenrath, Golo Föllmer u. a.
Wie so oft existiert eine schwer überbrückbare Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis, die die Frische und Entdeckerfreude, das Raumausgreifende und das Raumumfassende vieler Klanginstallationen/Klangkunstwerke trennt von der definitorischen Enge und Schwere des Theoretischen. Auch davon zeugt dieser Band.
Für die Klangkunst ist dieses Problem umso gewichtiger, da ihr die Klangwelten des Lebens insgesamt als Material zur Verfügung stehen. Nicht zufällig taucht daher auch immer wieder John Cages «stilles» Stück 4’33’’ als Null- und Ausgangspunkt ihrer historischen Entstehung auf. Vielleicht sollte im Diskurs daher der Terminus «Kunst» als vorbelastet und einengend weitestmöglich gemieden werden; vielleicht wären Termini wie «Anhörungsobjekt im/als Raum» oder auch «optische/haptische Klangkontemplation» geeigneter, die kreativen Vorgänge zu beschreiben. Dies als kurzer Gedanke des Rezensenten.
Wie tragisch lebensnah, fast möchte man sagen prophetisch, das Horchen und Lauschen der Klangkünstler mitunter sein kann, zeigt im Nachhinein die Arbeit von Florian Dombois mit dem Titel Circum Pacific 5.1.. Seismografische Bewegungen rund um den Pazifik werden darin synchronisiert und hörbar gemacht: Ausstellungsraum für diese Arbeit war 2004 in Köln das japanische Kulturinstitut.
Thomas M. Maier