Weill, Kurt / Ernst Toch / Erwin Schulhoff

Kleine Dreigroschenmusik / Egon und Emilie / H. M. S. Royal Oak

Verlag/Label: Channel Classics CCS 25109
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/03 , Seite 92

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 4
Booklet: 3
Gesamtwertung: 4

Die Ebony Band – benannt nach dem Ebony Concerto, das Strawinsky 1945 für die Bigband von Woody Hermann schrieb – wurde 1990 von Werner Herbers in Holland gegründet. Der Sohn deutscher Einwanderer war 35 Jahre lang Solo-Oboist im Amsterdamer Concertgebouw Orchester. Auch spiel­te er in der Jazzband des Concertgebouw und war Mitglied des Niederländischen Bläserensembles. Zudem unterrichtete er lange Jahre als Professor am Königlichen Konservatorium in Den Haag. Die Ebony Band widmet sich vor allem Tonwerken aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die im Zeitenstrudel untergingen.
Einzig bekanntes Stück der neuen CD ist die Kleine Dreigroschenmusik: eine Suite für Blasorchester, die Kurt Weill 1929 aus den populärsten Nummern der Dreigroschenoper zusammenstellte. Rare Fundstücke hingegen sind die satirische Szene Egon und Emilie (kein Familiendrama), die der Wiener, später emigrierte Komponist Ernst Toch 1928 einem Sketch von Christian Morgenstern abgewann, und das Jazzoratorium H. M. S. Royal Oak, das Erwin Schulhoff und der Theaterautor Otto Rombach 1930 im Frankfurter Rundfunk herausbrachten. Egon und Emilie ist eine Parodie auf die Opernkonvention: Schaukrampf einer Diva (Elena Vink, Koloratursopran), die – ihrem großen Bühnenauftritt entgegenfiebernd – eine Nervenkrise erleidet, weil der Mann (Chaim Levano, Sprecher) ihrer Emphase mit stoischer Gleichgültigkeit begegnet. Folglich wird die Oper abgesagt, bevor sie begann. Egon zum Publikum: «Geht jetzt nur heim und kommt zu der Erkenntnis, dass ihr heute zum ersten Mal in eurem Leben auf der Bühne einen wahrhaft vernünftigen Mann gesehen habt, der das Sprichwort ‹Reden ist Silber, Schweigen ist Gold› nicht nur im Munde führt …»
Bewegt sich Tochs mit sieben Bläsern besetztes Stück im neoklassischen Idiom, das sich mit wachsender Hysterie chromatisch zuspitzt, so ist Schulhoffs Jazz-Oratorium H. M. S. Royal Oak eine flotte, im Swingstil schlingernde und stampfende Seefahrt für Bigband, Jazzchor, Tenor und Sprecher. Dem Sujet liegt ein wahrer Vorfall aus dem Jahr 1928 zugrunde: Der Admiral des britischen Panzerkreuzers untersagt seinen Matrosen, an Bord zu jazzen. Die «Niggermusik» verletze die Würde der Royal Navy. Es kommt zur Revolte. Auf Druck der liberalen englischen Öffentlichkeit wird am Ende nicht die «Meuterbande» bestraft, sondern der Kapitän gerügt. In bunter Mischung aus gesprochener und gesungener Introduktion, Interlude di Fox, Hawaian-, Home-, Sailor- und Panama-Songs, Southsea-Waltz, berichtenden Rezitationen, Chor-Einwürfen, Tango-Interlude und Spiritual-Finale mit Sprecher, Chor und Solo-Tenor entfaltet sich ein gut halbstündiger, kurzweiliger Bilderbogen – maritimer Cocktail aus teils raubeinigen, teils sehnsuchtstrunkenen Seemannsgesängen und spannenden Erzählpartien.
Werner Herbers hält seine tüchtige Klang-Mannschaft locker auf Kurs. Ein Hörvergnügen, das nur getrübt wird von der Trauer über das spätere Schicksal des jazzliebenden Komponisten, der 1941 im bayerischen Internierungslager Wülzburg umkam.
Lutz Lesle