Kosmos
Werke von George Crumb, György Kurtág, Karlheinz Stockhausen, Béla Bartók und Peter Eötvös
Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 3
Booklet: 4
Gesamtwertung: 4
Alpha und Omega, Anfang und Ende dieses harmonisch geschlossenen Kosmos bilden die fernen Klopf- und Morsezeichen von «Alpha Centauri» und «Delta Orionis» aus dem vierten und letzten Makrokosmos von George Crumbs großem Zyklus Celestial Mechanics für zwei Klaviere mit Präparationen, vielen erweiterten Spieltechniken und elektronischer Verstärkung. Das initiale und finale Pochen der Stücke bildet die äußere Klammer der neuesten CD des gegenwärtig äußerst produktiven GrauSchumacher Piano Duos, das sein Programm in symmetrischen Sphärenschichten entfaltet. Über die Planeten Kurtág, Stockhausen und Bartók nähern sich die Interpreten dem Fixstern Kosmos von Peter Eötvös als namensgebendem Hauptwerk und Gravitationszentrum der CD, von wo aus die Reise in umgekehrter Folge über weitere Stücke derselben Trabanten krebsgängig wieder zu Crumb zurückführt.
Eötvös komponierte seinen Kosmos 1961 als 17-Jähriger aus Begeisterung über den ersten bemannten Raumflug Jurij Gagarins. Die Version von 1999 für zwei Klaviere beginnt mit demselben Urknall, dem als Echo lange nachrollende Triller folgen. Aus dieser ungestalteten Klangsuppe bilden sich endlich kantige Massen, Meteore und atmosphärische Schleier, die sich schließlich wieder in der Leere des Alls verdampfen. «Blumen die Menschen
», «Sternmusik» und vier andere Miniaturen aus György Kurtágs Játékok lösen sich von traditionell tonalen motivisch-thematischen Fesseln und teilen sich dennoch in äußerster Konzentration sprachhaft mit. Sie entfalten einen strukturellen Reichtum an Tönen und Intervallen, der im Kleinen die rätselhafte Weltordnung des Ganzen widerzuspiegeln scheint. Ähnliches gilt von Karlheinz Stockhausens zwölf Tierkreis-Melodien, von denen vier zu hören sind, mit denen der Meister die Sternzeichen und Charaktere der unter ihnen geborenen Menschen musikalisch in ihrem Wesenskern erfasst zu haben glaubte.
Anders verhält es sich bei den sieben Stücken für zwei Klaviere aus Béla Bartóks Mikrokosmos. Von freien Flugbahnen durch musikalisch-kosmische Schwerelosigkeit ist hier wenig zu spüren, kleben den Stücken doch schwere Klumpen ungarischer und bulgarischer Bauernmusik an den Sohlen. Auch sonst bleibt der Zusammenhang zwischen den insgesamt 22 musikalischen Himmelskörpern eher lose. Verbindungen zwischen ihnen schaffen vor allem die programmatischen Werktitel und die mal mehr, mal minder ausgeprägten kompositorischen Vorstellungen von extra-terrestrischen Welten und interstellaren Räumen, die das seit fast dreißig Jahren zusammenspielende Pianisten-Paar als kongenial agierende Kosmonauten eindrucksvoll zum Klingen bringt: «Die Sonne tönt nach alter Weise / In Brudersphären Wettgesang, / Und ihre vorgeschriebne Reise / Vollendet sie mit Donnergang.»
Rainer Nonnenmann