Schumann, Robert / Heinz Holliger

Kreisleriana / Partita für András Schiff

Verlag/Label: ECM New Series, ECM 2104
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/03 , Seite 85

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 5
Booklet: 5
Gesamtwertung: 5

Dass die Gegenüberstellung von aktuellen Kompositionen und Werken aus der Vergangenheit eine fruchtbare Angelegenheit sein kann, zeigt sich dort, wo entsprechende kompositorische Bezugnahmen dem Alten ein verschärftes Profil verleihen und die Aufmerksamkeit auf dessen innovatives Potenzial lenken, während zugleich die Resonanz der Tradition im Zeitgenössischen intensiviert wird. Zwei umfangreiche, vergleichbar komplex konzipierte Klavierzyklen lässt Alexander Lonquich zu diesem Zweck einander folgen: Den Schumann’schen Kreisleriana mit ihrem aus literarischen und kompositorischen Anregungen zusammengesetzten Mosaik erwächst mit Holligers anspielungsreicher Partita ein zeitgemäßes Gegenstück, das sich immer wieder ästhetische Anspielungen auf den Romantiker erlaubt, ohne ihnen jedoch unreflektiert zu verfallen. Lonquich verstärkt die vielen offensichtlichen und unterschwelligen Bezüge zwischen beiden Werken, indem er ihre für das Klavier «zu enge» (Schumann) gewordene Diktion aufdeckt: So verleiht er in seiner atemberaubend sicheren Schumann-Lektüre den teils extremen polyphonen Verschachtelungen klare Konturen und folgt mit klanglichen Schattierungen den harmonischen Besonderheiten, spürt aber vergleichbaren Kennzeichen auch in seiner feinnervigen, auf Tastatur und Klavierinnenraum bis in dynamische Grenzregionen ausgeloteten Holliger-Interpretation auf, wodurch in beiden Fällen die Tendenz zur gedanklichen Überschreitung des Instruments deutlich wird.
Stefan Drees