Kraut, Peter

Kunstmusik, Sounddesign und Popkultur

Verlag/Label: Pfau, Saarbrücken 2011, 175 Seiten
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2012/03 , Seite 93

Peter Kraut macht es bereits zu Beginn klar: Zweck des Buchs sei es, «in knapp gehaltenen Kapiteln Wesentliches» zu vermitteln. Das Spektrum ist groß: «Kunstmusik, Jazz, Rock und Popkultur» stehen auf dem Programm, auch die elektronische Musik erfährt ihre Würdigung, ebenso Aspekte des Sounddesigns oder «ästhetische Strategien», die auch Interdisziplinäres mit einbeziehen und Schnittstellen zur bildenden Kunst freilegen. Destilliert hat Kraut die knappen Kapitel aus einer Vorlesungsreihe, die er an der Hochschule für Künste in Bern gehalten hat.
Eine Genealogie der von ihm besprochenen musikalischen Reservate möchte der Autor allerdings nicht präsentieren. Der Blick zurück, im Sinne einer geschichtlichen Aufarbeitung, soll auch außen vor bleiben. Historischen Knotenpunkten kann Kraut sich trotzdem nicht entziehen. Zum Beispiel wenn er auf den ersten Seiten die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts Revue passieren lässt.
Peter Krauts Texte lassen sich als kurze Einführungen lesen. Seine Sprache ist klar und verständlich. In seinen Präsentationen bündelt der Autor nur die nötigsten Informationen. Es geht ihm um Prägnanz und Stichhaltigkeit. Im Fokus steht die Vermittlung von Grundlagen. Das wirkt anregend und lädt zu weiterführender Recherche ein.
Der Dozent eröffnet seine Ausführungen mit einigen Überlegungen zu der Wahrnehmung von Zeit beim Musikhören. Anschließend kontinuiert er mit physikalischen Informationen, im Fokus stehen Töne, Lautstärken und Stimmungen. Ein technischer Themenschwerpunkt, der im weiteren Verlauf des Buchs ausdifferenziert wird, zum Beispiel mit Exkursionen in die Raumakustik, die Studiotechnologie, das Instrumentendesign oder die Musikpsychologie. Kraut widmet sich auch dem Thema Filmmusik, erörtert die Relation zwischen musikalischen und bildnerischen Collagen, sinniert über Muzak und Ambient und macht Abstecher in die Welt der Improvisation.
Störend wirkt die bereits im Titel anklingende Gegenüberstellung von Kunstmusik und Popkultur. Welchen Zweck erfüllt diese Kontrastierung? Wäre es nicht viel spannender und fruchtbarer über zeitgenössische und historische Musik nachzudenken, ohne die ausgetretenen Territorien des Hi and Lo, der E- und U-Musik zu durchstreifen? «Pop bedient sich überall», schreibt Kraut. «Deshalb klingt alles – auch das Neue – irgendwie vertraut.» Selbiges könnte man auch von den diversen Spielarten der so genannten «Kunstmusik» behaupten. Und wollen wirklich nur Popmusiker «Spaß haben […], modern und anders sein?». Welcher Komponist sucht nicht nach einer kontemporären und individuellen Ausdrucksweise?
Am Ende denkt Kraut über den Einfluss digitaler Medien auf die Rezeption und Produktion von Musik nach. «Die Auswirkungen, die diese neuen Speicher- und Verteilsysteme auf […] Musik haben, können noch gar nicht abgeschätzt werden», liest man. Damit soll er Recht behalten.

Raphael Smarzoch