Bruttger, Thomas

Light, Reflection

Verlag/Label: Ars Musici 232827
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2010/04 , Seite 89

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 5
Repertoirewert: 5
Booklet: 5
Gesamtwertung: 5

Mancherorts noch ein «No Name», ist diese Porträt-Edition im Zweierpack mit eingeklebtem Beiheft ge­eignet, dem in Köln lebenden Theorielehrer der Folkwang-Hochschule Tho­mas Bruttger die ihm gebührende Geltung als Komponist verschaffen. Die beiden CDs dokumentieren zusammen neun seiner Kompositionen, für deren authentische Interpretation das Freiburger Ensemble Aventure bzw. Ensemble-Mitglieder in wechselnder Formation bürgen.
Bruttger gehört zum Schülerkreis von Nicolaus A. Huber. Als DAAD-Stipendiat setzte er seine Kompositionsstudien bei Iannis Xenakis in Paris fort, wo er mit dem von diesem entwickelten Informationssystem UPIC arbeitete. Auch besuchte er Kurse von Messiaen und Boulez. Seine Schaffensweise beschreibt Wolfgang Rüdiger im Booklet als Prozess, der – inspiriert von einem meist sinnlich-emotionalen Ausgangsimpuls – «etliche Entwicklungsschübe eines parameter-orientierten Denkens» durchlaufe, das jede Komposition «von ihren Einzelbestandteilen her» konzipiere (sprich Tonhöhe, Dauern, Lautstärke, Klangfarben usf.), um auf höherer Stufe «in die Klangsinnlichkeit der finalen Werkgestalt einzumünden». Sie lade gleichermaßen zum diskursiven Hören wie zum Genießen ein.
Wer dieser Einladung mit gelinder Skepsis folgt, muss schon nach dem ersten Hörabenteuer mit Light, Reflection aus dem Jahr 2002 bekennen: Nicht zu viel versprochen! Bruttger hat seinen Vorsatz, «die ästhetisch-sinnliche Erfahrung von Licht in all seinem Facettenreichtum in eine adäquate musikalische Komposition umzusetzen», sinnfesselnd eingelöst. Nicht minder spannend, zartsinnig, poetisch, ausgespart, verschwiegen und vielsagend zugleich ist Zyma für zwei Schlagzeuger und Klavier von 1992. Das altgriechische Wort zyma, klärt der Komponist in seinen anschau­lichen Werkkommentaren auf, bedeute Sauerteig oder Hefe. Als Werkidee macht Bruttger die «permanente Trans­formation der musikalischen Elemen­te» geltend; as Gedanke nicht sonderlich originell (der fortschritt­liche Brahms hatte mit seiner «entwickelnden Variation» kaum anderes im Sinn), doch im Klangergebnis einzigartig. Bei Bruttger macht nicht nur der Ton die Musik, sondern entschieden auch die Pause. Und die Klangfarbe. Überhaupt die klangliche Delikatesse. Und die «Leisheit» – selbst bei Titeln wie Monolith oder Zerklüftete Landschaft. Der Kölner schenkt, wonach sich eine Minderheit im globalen Tollhaus sehnt: erfüllte Stille.

Lutz Lesle