Deutsch, Bernd Richard

Mad Dog | 2. Streichquartett | Dr. Futurity

Verlag/Label: Kairos 0013352KAI
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/05 , Seite 80

Musikalische Wertung: 3

Technische Wertung: 5

Booklet: 3

 

Als 2013 die Wahl für den renommierten österreichischen «Erste Bank Kompositionspreis» auf den 1977 geborenen Bernd Richard Deutsch fiel, konnte man in Wien aus manchen Ecken ein zustimmendes Raunen vernehmen, das dem Komponisten ein Ausnahmetalent bescheinigte. 
Die Überprüfung dieser Behauptung anhand von Deutschs erster Porträt-CD mit drei Kompositionen aus den Jahren 2011 bis 2013 birgt allerdings das Potenzial zu einer gewissen Ernüchterung. Denn gerade das von der Ersten Bank in Auftrag gegebene Ensemblestück Dr. Futurity erweist sich als enttäuschende Angelegenheit: Man spürt hier von Anfang an das Bemühen des Komponis­ten, die Pointen möglichst berechnend zu platzieren, was der Musik einen großen Teil ihrer Wirkung nimmt. Dort, wo – um zwei durchaus vergleichbare Gegenbeispiele aus dem kompositorischen Umfeld zu nennen – Kollegen wie Olga Neuwirth und Bernhard Gander in ihrer Musik die Unberechenbarkeit zur Norm machen, erscheint Deutschs Neigung zum rundum abgesicherten und ungewöhnliche Entscheidungen vermeidenden musikalischen Diskurs als ausgesprochen zahm. 
Diese Strategie mag zwar eine reibungslose, auf Konsens ausgerichtete Kommunikation mit dem Publikum begünstigen, stört allerdings, wenn man sich von der Musik Überraschungen und ästhetische Sprengkraft erwartet. Indem Deutsch durchweg kalkulierten musikalischen Hu­mor einsetzt, wirkt er – dabei aber immerhin auf einen ebenso einfalls- wie facettenreichen und plastischen Umgang mit dem gewählten Instrumentarium zurückgreifend – in übertragenem Sinn wie einer, der Witze nacherzählt und dabei die Pointe nicht so recht trifft, weil er bereits die ganze Zeit über lacht. 
Besonders auffällig ist diese Tendenz angesichts des 2. Streichquartetts (2012), weil der Humor hier von Beginn an extrem robust daherkommt und dem Hörer unablässig mit wegweisendem Zeigefinger vorgeführt wird. Deutsch bedient sich dabei zahlreicher altbewährter Mittel und setzt diese – einen verzerrten Walzer, Glissandi, in dissonanten Intervallen parallel geführte Melodiefetzen und mehr – an einigen Stellen bis zum Überdruss ein. Manchmal, wie etwa bei den als sprachnahe Gesten geführten, kurzatmigen Glissandi im langsamen Mittelsatz oder bei der Verquickung von Glissandi, Rufen, Klopf- und Schlagaktionen im Finale, wirkt dies alles dann doch ein wenig altbacken. 
Überraschenderweise erweist sich das älteste Stück der CD, die Ensemblekomposition Mad Dog (2011), gegenüber den beiden jüngeren Werken als deutlich frischer und unverbrauchter, was insbesondere mit der instrumentalen Dramaturgie und dem gelungenen musikalischen Timing zu tun hat. Dass es sich dennoch lohnt, in diese Produktion hineinzuhören, liegt einerseits an der ausgewogenen Werkauswahl mit zwei umrahmenden Ensemblewerken und dem zentral postierten Quartett, andererseits aber auch am geschärften Umgang mit den Partituren, den die Musiker des Klangforums Wien solistisch oder unter Leitung von Enno Poppe an den Tag legen.
Stefan Drees