Billone, Pierluigi

Mani. Percussions solos

Verlag/Label: ein_klang records EKR_044
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/01 , Seite 88

Musikalische Wertung: 5
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 4
Booklet: 4
Gesamtwertung: 4

Es muss eine eigenwillige Szenerie gewesen sein, als der italienische Komponist Pierluigi Billone und der US-amerikanische Schlagzeuger Adam Weisman sich im Jahre 2005 zu einem Wiener Auto-Ersatzteillager aufmachten: «Der nette Eigentümer, wie einst Charon in der Unterwelt, führte uns durch einen Irrgarten fünf Meter hoher Wände aus Auto-Bestandteilen […] zum Federn-Lager. Diese wundervollen Metallspiralen hatten manchmal Formen, wie ich sie nie zuvor gesehen hatte. Voller Freude wählte ich fünf schöne Teile aus, zahlte dafür einen geringen Preis und warf, anders als Orpheus, keinen Blick zurück …»
Ein Auto wieder fahrfähig zu machen, darum ging es bei diesem von Adam Weisman unter mythologischen Anspielungen geschilderten Kauf nicht, sondern um die Grundausstattung eines faszinierenden musikalischen Projekts. Diese Autofedern nämlich haben ihren akustischen Auftritt in Mani. De Leonardis, einer der drei auf der vorliegenden CD dokumentierten Schlagzeug-Kompositionen Pierluigi Billones, die, typisch für ihren Schöpfer, einer Serie von Werken mit gemeinsamem Obertitel entstammen. Mit Mani, «Hän­de», sind sie allesamt bezeichnet und sprechen damit die für die Klangerzeugung wesentliche Schnitt­stelle zwischen Mensch und Instrument an.
Klang ist Schwingung, und diese Schwingung entsteht durch manuelle Arbeit, überträgt sich jedoch vom angeschlagenen Instrument zurück auf den Spieler wie in einem geschlossenen Energiekreislauf. Dessen Brustkorb wird zum Resonanzraum, was wiederum in einem nächsten Erweiterungsschritt dazu führt, dass auch der Stimmapparat des Spielers mit unartikulierten bis sprachartigen Lauten in das Klanggeschehen eingreift. «Wenn der Körper», so der Komponist Billone über sein künstlerisches Konzept, «zu einer zweiten Klangquelle wird, verflechten sich die Schwingungen von Körper und Instrument, und in vielen Fällen lässt sich nicht mehr ausmachen, welche von beiden die Initialquelle war: diese rhythmische Verflechtung ist ein Mittelpunkt der Arbeit.»
Ein wenig schade ist es, dass die vorliegende CD dies alles nur akustisch dokumentieren und nicht zeigen kann, wie sich in der Interaktion menschlicher Interpret und in Vibration versetztes Gerät solcherart zu einem Gesamtklangkörper vereinigen. Oder, wenn man den gleichen Gedanken ins Positive wendet: Für den Zuhörer wird es zum spannenden Rätselspiel, wie denn nun die einzelnen Klänge und Geräusche zustande kommen, die sich teils als Einzelereignisse, teils als Folge von Pulsationen darstellen oder zum flächigem Klang verdichtet erscheinen.
Sind es bei Mani. De Leonardis drei Auto- und eine Autobusfeder sowie zwei (von Adam Weisman mit Hämmern ganz vorsichtig traktierte) Glasaquarien, die zur Klangerzeugung bereitstehen, so dienen bei Mani. Mono eine Springdrum und bei Mani. Matta Marimba, Schlitztrommel, Holzblock und chinesischer Gong als Ausgangsmaterialien für neue Horizonte des Klangerlebens. Wüsste man nicht, dass in Adam Weisman ein einziger menschlicher Interpret dies alles in raffinierte Bewegungen und Resonanzen versetzt, möchte man an manchen Stellen auf ein Musizieren mehrerer musikalischer Partner tippen.
Gerhard Dietel