Margaret Leng Tan. She herself alone. The Art of the Toy Piano 2

Werke von John Cage, Eric Griswold, Toby Twining, George Crumb, Jerome Kitzke, Ross Bolleter und Laura Liben

Verlag/Label: mode records, mode 221
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/03 , Seite 84

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 3
Booklet: 5
Gesamtwertung: 4

Seit Margaret Leng Tan 1993 Cages Suite for Toy Piano vor der Vergessenheit bewahrte, ist die Pianistin und Performance-Künstlerin dem kleinen Glockenspiel in Verkleidung eines Miniatur-Klaviers verfallen. Inzwischen hat sie ein ansehnliches Repertoire für ein Instrument initiiert, dessen Charme aus der Verbindung kindlicher Einfachheit und obertonreicher Perkussionsklanglichkeit resultiert. Nachdem The Art of the Toy Piano 1 sich vor allem auf Transkriptionen und Arrangements konzentrierte, enthält die Fortsetzung viele eigens in Auftrag gegebene Werke jüngerer ame­rikanischer und australischer Komponisten.
Klar, dass Cages satie-hafter Klassiker von 1948 als Präludium nicht fehlen darf. Man hat diese diatonischen Miniaturen allerdings schon charmanter gehört. Leng Tan geht hier mit kantigem Anschlag den schroffen Weg, was ein entsprechendes Ausmaß an perkussivem Nebengeräusch mit sich bringt. Dies ist aber auch schon das einzige Stück für Toy Piano alone! Die vielen Kombinationen mit anderen (Spielzeug-)Instrumenten ma­chen den klangfarblichen Reiz dieser Produktion erst aus. Eric Griswold etwa bietet in seinem Old MacDonald’s Yellow Submarine (2004) eine ganze Batterie von Spielzeugklang: Spieluhren, Fahrradklingeln, Hupen, Eisenbahn-Pfeifen und diverse Perkussion, was Leng Tan im fünften Satz namens «Bicycle Lee Hooker» durchaus artistische Fertigkeiten abverlangt. Vor allem aber die Zwiesprache von Toy Piano und gewöhnlichem Klavier führt hier immer wieder zu interessanten Farbmischungen, die auch Cages Dream (1948) ganz neue Töne entlocken. Ähnlich wie der australische Komponist-Pianist Griswold schüttelt auch Toby Twining verschiedene musikalische Sphären an der Grenze zu Jazz und Blues gut durcheinander, wozu An American in Buenos Aires (2001) selbstredend noch den Tango mitbringt, und das alles mit Gershwin im Hinterkopf.
Dass die hier vertretenen Stücke nicht immer kompositorischen Sternstunden gleichkommen, ist verzeihlich und offenbart sich insbesondere mit Jerome Kitzkes The Animist Child (1994), das als rituelle Performance mit viel Getrommel und Urlaut auf sich aufmerksam machen will. Laura Liben bleibt im titelgebenden She herself alone (1996/2002) lieber im Europa der Neuzeit und widmet sich mit augenzwinkender Nostalgie unter Einsatz einer Spielzeugharfe weiblichen Reisen durch das 19. Jahrhundert (eigentlich eine Theatermusik).
Ausgesprochen morbide geht es auch bei Ross Bolleter zu, und das mit größtmöglicher Konsequenz: der Aus­tralier arbeitet nämlich am liebsten mit verrotteten Klavieren, die er langjährigen Verwitterungsprozessen aussetzt! Seine Hymn to ruin (2010) für «ruined toy piano und ruined piano» macht ihrem Namen alle Ehre und zählt in seiner düsteren Kaputtheit zweifellos zu den bemerkenswerteren Stücken dieser Sammlung.
Dirk Wieschollek