Koppel, Anders

Marimba Concertos

Verlag/Label: Dacapo 6.220590
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2015/02 , Seite 82

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Booklet: 5

Anders Koppel (*1947), Sohn des Pianisten und Komponisten Herman David Koppel (1908–98), übte sich früh im Klavier- und Klarinettenspiel, wurde Mitglied der Rockgruppe «Savage Rose» und unternahm eigene Kompositionsversuche. Über dreißig Jahre wirkte er als Musiker in verschiedenen  Improvisationsgruppen. Seit 1996 tritt er auch mit seinem Sohn Benjamin auf, ei­nem Saxofonisten von Rang. Seine Musik bleibt tonal bzw. modal «geerdet», ist rhythmisch mitreißend und bevorzugt den unverfremdetem Instrumentalklang. Über 200 Film-, Theater- und Ballettmusiken bezeugen seine Vorliebe für lateinamerikanische Tänze, Tango, Samba und kubanische Rhythmen.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg eroberte die Marimba, eine Weiterentwicklung des afrikanischen Balafon, allmählich die Konzertpodien der Welt. Mit seinen bislang vier Konzerten erweiterte Anders Koppel ihr Repertoire und Renommee beträchtlich. Der jungen polnischen Schlagzeug-Virtuosin Marianna Bednarska bieten sie just den Reizwiderstand, an dem sich ihre unbändige Musizierlust heißlaufen kann. 1995 für den Internationalen Schlagzeugwettbewerb in Luxemburg geschrieben, wurde Koppels erster Gattungsbeitrag alsbald zum Prüfstein für die schlagende Zunft: ein Standardwerk mittlerweile, das die Marimba in Tanzräusche versetzt und als Gauklerin hofiert, aber auch als Nachtschwärmerin und Traumwandlerin entdeckt.
Das unerbittliche Ticken der Zeit ist die Antriebskraft des Konzerts Nr. 2 für Marimba und  Streichorchester, das Anders Koppel zum Millennium schuf. Dem steten Tropfen gleich, der den Stein höhlt, perforieren die Schläge des Klangholzes die Streicherflächen, die sich allmählich in  spinnwebdünne Fäden auffächern und auflösen, während – wie DR-Redakteur Esben Tange im Beiheft blumig bemerkt – ein zäh swingender Groove Orchester und Solisten schier verschlingt.
Dem österreichischen Tausendsassa des Schlagzeugs Martin Grubinger widmete Anders Koppel 2002/ 03 sein drittes, «Linzer» Konzert für Marimba und Orchester. Dass sich Marianna Bednarska an die delikate Vorlage nicht nur herantraut, sondern den Solopart mit Bravour in Szene setzt und auf eine Weise meistert, die an Kleists Ästhetik des Marionettentheaters erinnert, bestätigt ihr Ausnahme-Format.
Vom Wiener Mozartjahr 2006 bestellt und gleichfalls Martin Grubinger zugeeignet, widmete Anders Koppel sein Konzert Nr. 4 Til det forgængeliges ihukommelse (Der Erinnerung des Vergänglichen). Die Inschrift entstammt einem halbverwitterten Marmorstein, den er in einem schwedischen Wald entdeckte. Mit dem Gedanken, auch Mozarts «ewige Musik» werde einmal vergehen, könne man sich schwerer abfinden als mit der eigenen Vergänglichkeit, bemerkt der Komponist dazu. Mit einer eigenen Tanzmelodie, die auf Mozarts «Rondo alla turca» trifft, pfeifen Komponist, Solist und das musizierlustige «Landesteil­orches­ter» Aalborg (Nordjütland) un­ter dem dänischen Ballettdirigenten Henrik Vagn Christensen auf alle Wunderlichkeiten dieser Welt.
Lutz Lesle