Michael Kunkel (Hg.)

Metamorphosen

Beat Furrer an der Hochschule für Musik Basel – Schriften, Gespräche, Dokumente

Verlag/Label: Pfau, Saarbrücken 2011
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/06 , Seite 92

Vom «Haus der Fama» berichtet Ovid in seinen Metamorphosen: jenem Ort in der Mitte des Erdkreises, wo in Form eines leisen Murmelns sämtliche Gerüchte der Welt gleichzeitig in buntem Wirrwar widerhallen. Der Schwei­zer Komponist Beat Furrer hat sich von Ovids bildlicher wie gleichsam auch auditiver Schilderung zu seinem «Hörtheater» Fama inspirieren lassen, das 2005 bei den Donaueschinger Musiktagen uraufgeführt wurde. Das Pub­likum versetzte er damals in eine raffiniert konstruierte, mit beweglichen Klappen versehene «Box», in welche von außen die Klänge des Stücks drangen: wechselnd in ihrer Präsenz und ihrem Ursprungsort.
Diese musikalisch-theatralische Umsetzung des «Hauses der Fama» gehört zu den mehrfach wiederkehrenden Zentralthemen des vorliegenden Bandes, der ganz dem Schweizer Komponisten Beat Furrer, dessen Schaffen und seinen sonstigen musikalischen Aktivitäten, etwa als Gründer und Leiter des Klangforum Wien, gewidmet ist. Den Impuls für diese Publikation – offenbar die erste Monografie über den Komponisten – bildete Furrers Gastprofessur an der Hochschule für Musik und am Musikwissenschaftlichen Institut in Basel während des Studienjahres 2007/08.
Das Wechselspiel von Außen und Innen, konstitutiv für das «Haus der Fama», wiederholt sich in der Anlage des Bandes, der schriftliche und mündliche Selbstaussagen des Künstlers sammelt, aber auch unter der Überschrift «Andere Stimmen» Aufsätze, Analysen und Essays von Musikwissenschaftlern zu speziellen Aspekten in Furrers Schaffen bietet.
Aus der multiperspektivischen Vielfalt der einzelnen Beiträge unterschiedlichster Art entwickelt sich in der Zusammenschau ein recht scharf gezeichnetes Künstler-Porträt, aber auch Überraschungen bleiben bei der Lektüre nicht aus: da folgt schon einmal einem Statement Furrers zu den Stichwörtern «Fortschritt, Avanciertheit, Avantgarde» ein Rezept für Kürbiscremesuppe (auch Kochen, könnte man sagen, ordnet sich schließlich dem Begriff der «Komposition» unter).
Zwei Werke Furrers werden in eigenständigen Teilen des Buches gesondert behandelt. Zum einen erfährt das von einem altägyptischen Text angeregte Musiktheater Wüstenbuch, das 2010 in Basel in der Regie Christoph Marthalers erstmals an die Öffentlichkeit gelangte, eine umfangreiche Dokumentation in Texten und Bildern. Zum anderen geht es um die Komposition Lotófagos für Sopran und Kontrabass von 2006. In diesem Fall darf das Werk ganz für sich sprechen: Dem Leser ist es anheimgestellt, sich selbst mit der zugrunde liegenden Dichtung von Josè Àngel Valente, den Skizzen und der Partiturreinschrift zu beschäftigen – wobei Letztere selbst dem Notenunkundigen kalligrafischen Genuss bietet. Abgerundet wird der Band noch durch Werkverzeichnis, Bibliografie und Diskografie sowie eine Dokumentation der Aktivitäten während das Basler «Beat-Furrer-Studienjahrs».

Gerhard Dietel