Gottfried Huppertz

Metropolis. Original Motion Picture Score

Vollständige Neu-Aufnahme der rekonstruierten Originalpartitur

Verlag/Label: Capriccio C5066
erschienen in: Neue Zeitschrift für Musik 2011/06 , Seite 82

Musikalische Wertung: 4
Technische Wertung: 4
Repertoirewert: 5
Booklet: 5
Gesamtwertung: 4

Dass die Musik im Stummfilm eine weit größere Bedeutung als im Tonfilm hat, liegt auf der Hand. Wurde sie im Tonfilm – zumeist – zur Untermalung oder atmosphärischen Verdichtung der maßgeblich vom Wort vermittelten Bedeutungsebenen degradiert, so war sie im Stummfilm ein integraler Faktor, der die inhaltlichen Dimensionen wesentlich mittrug. Kurz vor Ende der (kurzen) Stummfilmära schuf Fritz Lang mit Metropolis (1925/26, Drehbuch: Thea von Harbou und Fritz Lang, der ungenannt blieb) noch einmal einen Film, in dem die Musik eine zentrale emotionale und dramaturgische Funktion im Ablauf des Geschehens einnimmt. Entsprechend intensiv war der Komponist Gottfried Huppertz in den Entstehungsprozess von Metropolis einbezogen. Obwohl die Musik eng an die einzelnen Szenen gebunden ist, kann sie als Ganzes für sich selbst einstehen – was auf Huppertz’ künstlerischen Rang zurückverweist.
Nun, bei der Premiere am 10. Januar 1927 fiel der Film – der heute nicht nur bei Cineasten den Ruf eines Meilensteins der Filmkunst genießt – bei Publikum und Kritik durch, und die daraus resultierenden Verstümmelungen hatten auch Konsequenzen für die Musik. Erst 2008 gelang aufgrund einer in Buenos Aires aufgetauchten Kopie des Originals die Rekonstruktion des kompletten Films, wodurch auch die vollständige Musik wieder zu ihrem Recht kam und nun vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung des Filmmusikspezialisten Frank Strobel eingespielt wurde.
Möchte man die Grundzüge von Metropolis – aus heutiger Sicht – mit den Begriffen «Vision» und «Pathos» charakterisieren, so gilt dies nur bedingt auch für Huppertz’ Klangwelt. Zu Langs expressionistischen Visionen von Megastädten und futuristischen Maschinenparks wäre Mitte der 1920er Jahre auch schon eine ganz andere Musik denkbar gewesen. Immerhin war die Dur-Moll-Tonalität zu diesem Zeitpunkt längst gesprengt und allenthalben experimentierten Tonkünstler mit neuen Ausdrucksformen. Huppertz indes blieb weitgehend dem spätromantischen Duktus samt Wagner-Anklängen verhaftet, womit er den Blick auf das kompositorische Weiterleben der sinfonischen Musik des 19. Jahrhunderts im Film lenkte.
Im Gegenzug übertrieb er es aber nicht mit dem Pathos, sondern er konzipierte einen ausdifferenzierten Tonsatz, der – jenseits bloßer Illustration – stets die Balance zwischen dem Ausdrucksmoment und innermusikalisch-strukturellen Belangen hält. Wäh­rend sich in den Abschnitten 1 (Auftakt) und 2 (Zwischenspiel) sensible und fulminante Passagen abwechseln, steigert sich der dritte Teil, das «Furioso», – dank großartiger Interpretation – zum Klangrausch, der wohl auch ohne Kenntnis des Films mitreißt: vom «Aufstand der Arbeiter» mit der Verarbeitung der Marseillaise bis zur sich schwindelig stampfenden «Herzmaschine», vom orgiastischen «Tanz der Arbeiter» bis zur schwärmerischen «Versöhnung» zwischen «Herz und Hirn».
Egbert Hiller